Ein Fass ohne Boden

Ein Fass ohne Boden

Ein Fass ohne Boden

Ganze 5,3 Mil­liar­den Franken soll der Auto­bahn-Aus­bau kosten. Doch ist mehr als fraglich, ob es dabei bleibt. Wenn der Bund näm­lich ein gross­es Pro­jekt in die Hand nimmt, fällt die Rech­nung am Schluss meist höher aus. Oft sog­ar viel höher.

aus VCS-Mag­a­zin 4/2024

VCS Schweiz

Man sollte meinen, dass die Exper­tise im Umgang mit Zahlen in der Bun­desver­wal­tung gut vorhan­den sein sollte. Aber dieser Ein­druck täuscht zuweilen. Ger­ade diesen Som­mer wurde ein Tohuwabo­hu bei der AHV pub­lik, welch­es das zuständi­ge Bun­de­samt für Sozialver­sicherun­gen in wüsten Ver­ruf brachte. Es stünde gar nicht so schlimm wie ver­mutet um die Altersvor­sorge – man habe sich um sat­te vier Mil­liar­den ver­rech­net.

Doch auch dieser Wert stimmte offen­bar nicht und das Bun­de­samt hat ein paar Wochen später erneut neue Zahlen geliefert – dies­mal gut zwei Mil­liar­den, um die man sich ver­tan habe. Das Resul­tat war das Mis­strauen der Öffentlichkeit und am Ende eine schal­lende Ohrfeige an der Urne: Die Stim­menden sagten Nein zur Reform der zweit­en Säule.

Auch in anderen Bere­ichen hat die Bun­desver­wal­tung heuer kein glück­lich­es Händ­chen im Umgang mit Zahlen bewiesen. Das Bun­de­samt für Strassen ASTRA – seines Zeichens zuständig für die Nation­al­strassen – hat näm­lich aus­gerech­net, was die Staus auf den Auto­bah­nen kosten. Das ASTRA fol­gerte daraus, dass der volk­swirtschaftliche Nutzen eines Auto­bahn-Aus­baus bei 184 Mil­lio­nen Franken jährlich liege.

Andreas Hermsdorf/pixelio.de

Bundesamt im Kampagnen-Modus

Doch die NZZ am Son­ntag deck­te im Som­mer auf, dass auch diese Zahlen einen Hak­en haben. Sie sind erstens unge­nau und zweit­ens ver­al­tet. Dessen ist man sich beim ASTRA wohl bewusst. Aber die neuen Berech­nungs­grund­la­gen seien von der Branche halt noch nicht anerkan­nt und darum noch nicht zu ver­wen­den. Inter­es­sant dabei: Auch nach neuer Rechenart resul­tiert ein volk­swirtschaftlich­er Nutzen aus bre­it­eren Auto­bah­nen. Bloss ist der mit 65 Mil­lio­nen – statt deren 184 – ein gutes Stück weniger spek­takulär.

Entsprechend war in der Bun­desrats­botschaft ans Par­la­ment nur vom höheren Betrag die Rede. Die neueren, genaueren Zahlen waren den Zuständi­gen nicht ein­mal eine Fuss­note wert. Der neue Ansatz gelte erst in eini­gen Monat­en; also nach der Abstim­mung über den Auto­bahn-Aus­bau, mut­masst das Bun­de­samt. Das ist ein bemerkenswert­er Zufall; beson­ders in Anbe­tra­cht dessen, dass die Abstim­mungs­frage am 24. Novem­ber das Kerngeschäft des ASTRA bet­rifft.

Voranschlag mehr als fragwürdig

Doch den Kam­pag­nen­strate­gin­nen und ‑strate­gen kom­men nicht nur grosszügige Zahlen über den Nutzen eines Pro­jek­ts zu Hil­fe. Auch wenn die abse­hbaren Kosten möglichst ger­ing sind, verbessert dies die Aus­sicht auf einen Abstim­mungser­folg.

Zwar sind 5,3 Mil­liar­den Kosten für gut 30 km neue Auto­bahn­spuren und eine Hand­voll Tun­nel nicht ger­ade ein Schnäp­pchen; aber den­noch ver­mut­lich der Min­i­mal­be­trag. Die Erfahrung zeigt näm­lich, dass in den Kam­pag­nen – wohl um das Abstim­mungsre­sul­tat nicht zu gefährden – fast durch­wegs mit ein­er Zahl an der unter­sten Gren­ze der Preiss­panne hantiert wird. Wenn man sich dann im Ver­lauf des Pro­jek­ts der wirk­lichen Kosten gewahr wird, ist es für einen Abbruch meist zu spät. Zäh­neknirschend wird dann neues Geld bere­it­gestellt.

Dafür gibt es zahlre­iche Beispiele. Drei promi­nente Exem­pel:

  • Neue Alpen-Trans­ver­sale NEAT: Bei der Volksab­stim­mung von 1998 ver­an­schlagte der Bun­desrat die Kosten noch auf 13,6 Mil­liar­den Franken. Let­ztlich betru­gen die Kosten rund 22,8 Mil­liar­den Franken. Über­schre­itung: 68 Prozent.
  • Beschaf­fung F/A 18: Im Jahr 1993 wur­den die Kosten für die Beschaf­fung von 34 F/A‑18-Kampf­flugzeu­gen im Abstim­mungs­büch­lein auf etwa 3,5 Mil­liar­den Franken geschätzt. Die endgülti­gen Kosten stiegen auf rund fünf Mil­liar­den Franken. Plus 43 Prozent.
  • Belchen­tun­nel: Der dritte Strassen­tun­nel durch den Belchen sollte ursprünglich 270 Mil­lio­nen Franken kosten. Das Geld reichte bei weit­em nicht: der Tun­nel kostete let­ztlich rund 500 Mil­lio­nen Franken – 85 Prozent mehr als ver­an­schlagt.

Wenn der Bund ein gross­es Pro­jekt in die Hand nimmt, wer­den die Kosten so gut wie immer über­schrit­ten. Mitunter erhe­blich. Doch ist das Phänomen nicht nur in der Schweiz bekan­nt. Im Rah­men ein­er Studie der Her­tie School of Gov­er­nance wur­den 170 öffentliche Grosspro­jek­te in Deutsch­land unter­sucht. Die Diskrepanz zwis­chen Plan- und Mehrkosten lag bei durch­schnit­tlich 73 Prozent. Reko­rd­hal­ter war dabei das Atom­kraftwerk in Kalkar. Es wurde 1985 fer­tiggestellt, kostete 494 Prozent mehr als ver­an­schlagt, ging aber nie in Betrieb. Eine ver­i­ta­ble Investi­tion­sru­ine.

Michael Heynemann/pixelio.de

Preisbarometer zeigt nach oben

Mar­tin Winder, VCS-Bere­ich­sleit­er Poli­tik und Kam­pag­nen, rech­net auch beim Auto­bahn-Aus­bau mit Kostenüber­schre­itun­gen: «Das Preiss­child von 5,3 Mil­liar­den dürfte zu knapp bemessen sein. Ein­er­seits lehrt uns dies die Erfahrung – ander­er­seits dürften ins­beson­dere die vier Tun­nel­pro­jek­te in der Bauphase noch mit Über­raschun­gen und Mehrkosten aufwarten.»

Wenn der Bund ein gross­es Pro­jekt in die Hand nimmt, wer­den die Kosten so gut wie immer über­schrit­ten. Mitunter erhe­blich.

Der ver­an­schlagte Betrag beruhe auf einem Best-Case-Szenario und berück­sichtige das Preis­ge­füge der frühen 2020er-Jahre, sagt Winder weit­er. Die Baukosten im Strassen­bau hät­ten aber in der Ver­gan­gen­heit zugenom­men. Das liesse sich auf eine Rei­he von Fak­toren zurück­führen: «Ein wichtiger Kos­ten­treiber ist die Infla­tion. Höhere Preise für Dien­stleis­tun­gen und Energie tra­gen auch zu höheren Baukosten bei.» Fern­er seien die Preise für Bau­ma­te­ri­alien wie Asphalt, Beton, Stahl und andere notwendi­ge Rohstoffe in den let­zten Jahren weltweit gestiegen: «Namentlich, weil diese Rohstoffe knapp sind, wegen höher­er Trans­portkosten und der gestiege­nen Nach­frage nach diesen Mate­ri­alien in anderen Sek­toren.»

Blackbox Unterhalt

Auto­bah­nen kosten allerd­ings nicht bloss während der Erstel­lung viel Geld. Ein­mal gebaut, wollen sie gepflegt wer­den. Das ASTRA schrieb in seinem let­zten Net­z­zu­s­tands­bericht, im All­ge­meinen sei das Netz in einem zufrieden­stel­len­den bis guten Zus­tand, auch wenn der Ziel­w­ert nicht ganz erre­icht werde. Und: es gibt dur­chaus Makel. «Einige Betriebs- und Sicher­heit­saus­rüs­tun­gen sind in einem alarmieren­den Zus­tand.» Man habe Mass­nah­men ein­geleit­et, um die Män­gel zu beheben: «2022 investierte das ASTRA 1,06 Mil­liar­den Franken in den Unter­halt und damit in den Erhalt des Nation­al­strassen­net­zes.» Mit Blick auf die näch­sten Jahre rech­net man beim Bund mit ähn­lichen, aber leicht steigen­den Unter­halt­skosten.

Aus Sicht von Winder ist der Unter­halt zwar wichtig für die Sicher­heit, aber alles andere als bil­lig: «Gemessen an den 2250 km Länge des Nation­al­strassen­net­zes, kostet jed­er Kilo­me­ter Auto­bahn jährlich sat­te 532 000 Franken Unter­halt.» Ausser­dem sei der Bud­get­posten in den let­zten Jahren gewach­sen und würde auch ob mehr Fahrspuren kün­ftig eher zu- als abnehmen, prog­nos­tiziert Winder. «Selb­stver­ständlich wollen wir die beste­hen­den Auto­bah­nen nicht vergam­meln lassen. Aber durch einen Aus­bau weit­er ver­teuern soll­ten wir sie auch nicht. Das sind wir unseren Kindern schuldig.»

Andreas Käser­mann

Mehr Strassen schaffen mehr Verkehr – nicht weniger Stau

Mehr Strassen schaffen mehr Verkehr – nicht weniger Stau

Mehr Strassen schaffen mehr Verkehr – nicht weniger Stau

Beitrag für das Jahrbuch Strassen­verkehr 2025 – geschrieben für David Raedler, Co-Präsi­dent VCS Verkehrs-Club der Schweiz.

Unlängst wartete ich an ein­er Bushal­testelle am Stad­trand und schaute dem Verkehr zu. Auto an Auto rei­hte sich in der Rush Hour aneinan­der, die Fahrerin­nen und Fahrer – die meist allein in ihren Fahrzeu­gen sassen – blick­ten ger­adeaus. Kolon­nen  zwängten sich an Fas­saden vor­bei. Wenn die Häuser nicht dastün­den, kön­nte man die Strassen ver­bre­it­ern, denke ich. Aber nein: Wenn die Häuser nicht wären, gäbe es ver­mut­lich gar keine Strassen.

Bis in die hin­ter­sten Täler haben wir uns niederge­lassen. Und zu all diesen Sied­lun­gen führt eine mehr oder weniger gut aus­ge­baute, mitunter auch enge oder gefährliche Strasse. Wenn es zu eng und zu gefährlich wird, wird die Strasse asphaltiert, ver­bre­it­ert, verbessert. Stück um Stück wächst der Strassen­raum.

Das­selbe Konzept gilt auch ander­swo, wenn dem Strassen­verkehr der Tep­pich aus­gerollt wer­den soll: Gibt es in einem städtis­chen Quarti­er jeden Abend Stau, wird zugun­sten ein­er bre­it­eren Strasse auch mal eine Rei­he alter Bäume hin­gerichtet. Und ste­ht man auf der Auto­bahn im Stau, kommt als­bald ein windig-wendi­ger Poli­tik­er daher und fordert mehr Fahrspuren. Der Poli­tik­er ver­spricht, dass sich damit der Stau in Luft auflöst und let­ztlich alle zufrieden sind. Die Quartiere wür­den von Rück­staus befre­it, in den Ortschaften gäbe es keinen Kolon­nen­verkehr mehr und die Städte seien zum Feier­abend nicht mehr ver­stopft. So erzählt er.

ASTRA

Bloss: Er irrt! Die Strassen sind erstens in der Regel nur zu den Spitzen­zeit­en über­lastet, während die beste­hende Infra­struk­tur in der übri­gen Zeit bei weit­em aus­re­icht. Ausser­dem kommt es zweit­ens zur Über­las­tung der Strassen, weil in den Autos – gemäss Bun­de­samt für Sta­tis­tik – ger­ade zu Pendlerzeit­en durch­schnit­tlich nur 1,1 Per­so­n­en sitzen. Das ist reich­lich inef­fizient. Drit­tens pro­duzieren mehr Strassen neuen Bedarf. Wird eine Auto­bahn aus­ge­baut, erhält sie mehr Kapaz­ität. Das merken auch jene, welche die Auto­bahn bis­lang nicht benutzt haben. Also nehmen auch sie die Auf­fahrt zur ver­bre­it­erten Auto­bahn, find­en es prak­tisch und helfen mit, sie gle­ich wieder zu ver­stopfen.

Das Resul­tat ken­nen wir aus dem Eff­eff: Jedes Mal, wenn es auf den Strassen eng wurde, sind die Bag­ger aufge­fahren. Die Strassen wur­den ver­bre­it­ert, neue Kapaz­itäten geschaf­fen. Das hat jew­eils für eine kurze Zeit gewirkt und es gab an den neu­ral­gis­chen Stellen weniger Staus. Doch ein paar Jahre später wurde es schon wieder eng. Und was hat man gemacht? Die Bag­ger sind aufge­fahren, die Strassen wur­den erneut ver­bre­it­ert, neue Kapaz­itäten geschaf­fen. Gel­ernt hat man nichts – der Teufel­skreis dreht munter weit­er.

Let­ztlich ist auch die Geschichte von den ent­lasteten Städten und Quartieren eine Mär. Wir leben ja nicht auf der Auto­bahn. Jedes Fahrzeug, welch­es auf der Auto­bahn fährt, hat dafür eine Sied­lung durch­quert, ist durch einen Stadt­teil oder ein Dorf gefahren und muss am Ende auf einem Park­platz abgestellt wer­den. Je mehr Autos nun also auf der Auto­bahn unter­wegs sind, umso öfter fahren Autos am Anfang und am Ende der Strecke über kleinere – soge­nan­nt unter­ge­ord­nete – Strassen.

Und trotz dieser offen­sichtlichen und vielfach bewiese­nen Tat­sachen wird sich die Schweiz ger­ade am Erschei­n­ungstag dieses Jahrbuchs inmit­ten ein­er neuer­lichen Aus­bau-Diskus­sion befind­en. Bun­desrat und Par­la­ment ver­sprechen, dem Stau ein Ende zu set­zen und wollen dafür wieder ein­mal die Auto­bah­nen ver­bre­it­ern. Wir vom VCS Verkehrs-Club der Schweiz haben dage­gen das Ref­er­en­dum ergrif­f­en – weil der Aus­bau die Prob­leme nicht löst, son­dern nur vertagt und ver­schärft. Ich werde sich­er Nein stim­men – damit wir die Fehler der Ver­gan­gen­heit nicht immer wieder aufs Neue wieder­holen. Und Sie?

Der Beitrag wurde für David Raedler ver­fasst und erschien im Jahrbuch Strassen­verkehr 2025.

(Un-)klare Regeln

(Un-)klare Regeln

(Un-)klare Regeln

Tem­po-30- und Begeg­nungszo­nen, Velo- und Schul­strassen: In verkehrs­beruhigten Zonen herrscht gle­ich­sam eine baby­lonis­che Sprachver­wirrung. Auch die jew­eils gel­tenden Verkehrsregeln sind mitunter nicht allen klar. Das VCS-Mag­a­zin sagt, was gilt.

aus VCS-Mag­a­zin 3/2024

VCS Schweiz

Ger­ade 35 Jahre ist es her, als der Bun­desrat die Grund­lage geschaf­fen hat, um in Wohn­quartieren Tem­po-30-Zonen einzuricht­en. Das war der eigentliche Startschuss zur Verkehrs­beruhi­gung. 1990 ent­stand dann in Win­terthur die erste Tem­po-30-Zone. Viele weit­ere im ganzen Land fol­gten. Mit­tler­weile gibt es in der Stadt Zürich rund 370 Kilo­me­ter Strassen in Tem­po-30-Zonen. Die Entwick­lung wird auch angekurbelt durch Vere­in­fachun­gen: 2023 ist die Gutacht­enpflicht ent­fall­en, welche zuvor lang­wierige Bewil­li­gung­sprozesse verur­sachte.

30 ist das neue 50

Unter­dessen wohnen rund 40 Prozent der Schweiz­er Bevölkerung an ein­er Tem­po-30-Zone und geniessen deren Vorzüge. Nie­mand möchte zum alten Tem­poregime zurück.

«Wohn­quartiere sind lebenswert­er gewor­den », blickt VCS-Verkehrssicher­heit­sex­perte Michael Rytz zurück. «Mit 30 km/h wird der Verkehrslärm gegenüber Tem­po 50 hal­biert. Schulkinder, Velo­fahrerin­nen und Fuss­gänger fühlen sich sicher­er.» Tat­säch­lich sinkt die Zahl der schw­eren Unfälle nach Ein­führung von Tem­po 30 um ein gutes Drit­tel.

An Ein­mün­dun­gen und Kreuzun­gen gilt in Tem­po-30-Zonen Rechtsvor­tritt – sofern keine andere Regelung sig­nal­isiert ist. Ausser­dem haben Fahrzeuge – mit der gebote­nen Vor­sicht – auch dann Vor­tritt, wenn die achtjährige Lena zur Schul­fre­undin auf die gegenüber­liegende Strassen­seite wech­selt oder Rent­ner Bieri im Bio­laden vis-à-vis einkaufen gehen will. Fuss­gänger­streifen, welche ihnen Vor­tritt gewähren wür­den, sind prak­tisch nicht exis­tent.

ASTRA

Solche sind näm­lich in der «Verord­nung über die Tem­po-30-Zonen» expliz­it aus­bedun­gen: «Die Anord­nung von Fuss­gänger­streifen ist unzuläs­sig», ste­ht da geschrieben. Aus­nah­men sieht der Artikel allerd­ings vor: etwa bei Schulen und Alter­sheimen. Auch vor dem Bun­de­shaus in Bern ist ein Fuss­gänger­streifen aufge­malt – trotz Tem­po-30-Zone. Ein Schelm, wer Bös­es dabei denkt!

Wo es keinen Fuss­gänger­streifen gibt – in Tem­po-30-Zonen also fast über­all – haben Fahrzeuge Vor­tritt. Velos eben­so wie Autos, Last- und Liefer­wa­gen oder Motor­räder. Wird Fuss­gän­gerin­nen und Fuss­gängern Vor­tritt gewährt, ist das Good­will. «Dessen sind sich viele nicht bewusst. Das kann gele­gentlich auch auf eigentlich ruhi­gen Quartier­strassen zu heiklen Sit­u­a­tio­nen führen», sagt Verkehrssicher­heit­sex­perte Rytz.

Strasse als Begegnungsort

Anders ist das Vor­trittsrecht in den Begeg­nungszo­nen geregelt. Deren Pre­miere grün­det in einem Ver­suchs­be­trieb in Burgdorf, wo 1995 die «Flanier­zone» getestet wurde. Das Konzept funk­tion­ierte gut und wurde 2002 als «Begeg­nungszone» in die Sig­nal­i­sa­tionsverord­nung über­führt.

In der Begeg­nungszone gilt 20 km/h als max­i­male Geschwindigkeit. Auch eben­da sieht das Gesetz keine Fuss­gänger­streifen vor; den­noch haben Fuss­gän­gerin­nen und Fuss­gänger Vor­tritt vor allen Fahrzeu­gen, betont Michael Rytz: «Die Verord­nung ver­langt, dass Begeg­nungszo­nen deut­lich erkennbar sind.» Oft ist zusät­zlich zum Strassen­schild ein gut sicht­bares «20» auf die Strasse gemalt. Häu­fig hat die Ein­fahrt einen Tor-Charak­ter. Weit­ere Gestal­tungse­le­mente weisen darauf hin, dass gemäch­lich­es Fahren angezeigt ist. «Häu­fig stellt man überdies bei der Fahrt durch einen solchen Abschnitt ganz automa­tisch fest, dass hier das Leben und nicht der Verkehr Vor­rang hat. Da ent­deckt man hier einen Ping-Pong-Tisch oder ein Dreirad und dort einen Grill oder ein Hock­ey­tor.»

ASTRA

Gedacht ist das Lim­it von 20 km/h natür­lich in erster Lin­ie für motorisierte Fahrzeuge. Indes schaf­fen sportliche Rad­fahrerin­nen und Rad­fahrer selb­st ohne Motor lock­er ein höheres Tem­po. Sie riskieren in der Begeg­nungszone eben­falls, gebüsst zu wer­den.

Velostrassen ohne Sonderrechte für Velos

Neueren Datums ist das Konzept der Velostrasse, welch­es auf mehreren nationalen Pilotver­suchen basiert. Die Bern­er Behör­den beze­ich­neten die Streck­en bei deren Ein­führung 2016 als «Velo-Kom­fortrouten, auf denen auch das Nebeneinan­der­fahren möglich ist.» Der Bund ermöglicht Velostrassen seit 2020. Michael Rytz: «Velostrassen sollen gute Fahrrad­verbindun­gen in Tem­po-30-Zonen ermöglichen. Sie wer­den vor allem in Städten immer häu­figer ein­gerichtet.»

Allerd­ings sind Velostrassen – anders als deren Beze­ich­nung ver­muten lässt – nicht auss­chliesslich für Rad­fahrerin­nen und Rad­fahrer reserviert. Neben ihnen teilen sich auch alle anderen Verkehrsteil­nehmenden den Platz – selb­st Park­plätze müssen nicht weichen, wenn eine Velostrasse ein­gerichtet wird.

Der Haup­tun­ter­schied zur nor­malen Strasse: Der Rechtsvor­tritt an Ein­mün­dun­gen ist kon­se­quent aufge­hoben. «Rad­fahren­den ste­ht so eine sichere und unter­bruchs­freie Verbindung zur Ver­fü­gung», sagt Rytz. Der Vor­trittsentzug wird an Ein­mün­dun­gen mit­tels Sig­nal und Haifis­chzäh­nen angezeigt; die Velostrasse wird durch grosse Velopik­togramme verdeut­licht.

Sperrzone Schulstrasse

Während die Velostrasse auf einem nieder­ländis­chen Verkehrskonzept grün­det, hat die Schul­strasse ihren Ursprung in Ital­ien. 1989 ent­stand die erste Schul­strasse in Bozen. VCS-Schul­weg­ex­per­tin Alice Gen­tile erk­lärt: «Schul­strassen wer­den in Quartieren mit Schul­häusern ein­gerichtet. Die Schul­strasse ist grund­sät­zlich befahrbar, wird aber mor­gens, mit­tags und nach­mit­tags für den Autoverkehr ges­per­rt.» Also dann, wenn Schü­lerin­nen und Schüler ein­tr­e­f­fen oder nach Hause gehen. Das tem­poräre Fahrver­bot kann auf ein­er Sig­nal­i­sa­tion angezeigt oder durch einen versenkbaren Poller verdeut­licht wer­den.

Viele Verkehrskonzepte, welche wir in der Schweiz ken­nen, wur­den meist bere­its länger zuvor im Aus­land instal­liert.

Gen­tile ist überzeugt vom Konzept der Schul­strasse: «Sie bietet ein sehr hohes Sicher­heit­sniveau in unmit­tel­bar­er Nähe der Schule, wo sich die meis­ten Kinder aufhal­ten. Das ist auch ein Plus­punkt für besorgte Eltern.» Für die Schü­lerin­nen und Schüler wird es mit der Schul­strasse noch attrak­tiv­er, ihren Weg zur Schule zu Fuss oder mit dem Velo zurück­zule­gen. Ausser­dem hat sich bestätigt, dass die Sper­rung zu den neu­ral­gis­chen Zeit­punk­ten einen pos­i­tiv­en Neben­ef­fekt hat: «Es gibt weniger Eltern­taxis und damit weniger gefährliche Manöver und unüber­sichtliche Sit­u­a­tio­nen.» Auf­grund der besseren Verkehrssicher­heit und weil die tägliche Sper­rung der Schul­strasse bloss während kurz­er Zeit gilt, sei überdies die Akzep­tanz des Konzepts bemerkenswert gross.

Nachahmen erwünscht

Viele Verkehrskonzepte, welche wir in der Schweiz ken­nen, wur­den meist bere­its länger zuvor im Aus­land instal­liert. Pio­niere für die bekan­ntesten Beispiele waren Deutsch­land, Bel­gien und die Nieder­lande. Abkupfern ist also aus­drück­lich erlaubt. Auch in Bere­ichen, welche nicht vor allem dem Aspekt der Verkehrssicher­heit dienen.

Eine inter­es­sante Idee wären etwa die Umwelt­zo­nen, welche Stock­holm seit 1996 ken­nt. In Umwelt­zo­nen sind Fahrzeuge mit hohem Schad­stof­fausstoss (z.B. Stick­ox­ide oder Fein­staub) nur beschränkt erlaubt oder ganz ver­boten. Die Idee wurde von Berlin, Han­nover und Köln über­nom­men – auch Milano und Bologna führten die Sper­rzone für Dreckschleud­ern früh ein.

In der Schweiz sind Umwelt­zo­nen der­weil nur punk­tuell ein The­ma: Genf hat 2020 eine Ein­schränkung einge­führt, gemäss der das Zen­trum nur noch mit ein­er speziellen Umwelt­plakette – dem «Stick’AIR» – befahren wer­den darf, sobald die Luftver­schmutzung einen bes­timmten Schwellen­wert über­schre­it­et. Eine per­ma­nent gültige Umwelt­zone ist zurzeit in Basel im Gespräch. Das Pro­jekt ist allerd­ings bis­lang nicht spruchreif – dem Vernehmen nach wartet man auf das Okay aus Bern.

Umwelt­zo­nen haben freilich den Nachteil, dass sie nur begren­zt und sehr lokal Wirkung ent­fal­ten, dort aber die Luftqual­ität merk­lich verbessern. Ungle­ich wichtiger ist indes der indi­rek­te Effekt, wenn statt eines neuen SUV emis­sion­särmere Fahrzeuge oder Elek­troau­tos gekauft wer­den – oder im Ide­al­fall gle­ich auf den öffe tlichen Verkehr oder das Velo umgestiegen wird.

Andreas Käser­mann

Skandal: ASTRA rechnet mit Gammelzahlen

Skandal: ASTRA rechnet mit Gammelzahlen

Skandal: ASTRA rechnet mit Gammelzahlen

Blog­beitrag auf der Kam­pag­nen-Web­site «NEIN zum mass­losen Auto­bahn-Aus­bau» – geschrieben für Selim Egloff, Pro­jek­tleit­er Verkehrspoli­tik

Beim Bund wird offen­bar gerne mit jenen Zahlen gerech­net, die ger­ade ins aktuelle Nar­ra­tiv passen. Das zeigte sich neulich bei der AHV. Doch auch im Bun­de­samt für Strassen ASTRA ver­wen­det man wissentlich Zahlen, die nicht aktuell sind. Diese hat das Bun­de­samt in die Botschaft zum Auto­bahn-Aus­bau geschrieben und gedenkt nun damit auch in den Abstim­mungskampf zu ziehen.

Der Fall wurde von der NZZ am Son­ntag aufgedeckt. Konkret geht es um den allfäl­li­gen Auto­bahn-Aus­bau – der soll ja nicht nur kosten, son­dern unter dem Strich auch Vorteile brin­gen. «Je mehr Nutzen, umso bess­er», haben sich wohl die Astra-Leute gedacht. Sie haben darum die heuti­gen Staus­tun­den in Franken umgerech­net und sich dabei Zahlen bedi­ent, welche über­holt sind.

Die Werte – sie stam­men aus dem Jahr 2009 und wur­den sein­erzeit vom Strassen­bauer-Ver­band VSS veröf­fentlicht – ergeben einen volk­swirtschaftlichen Nutzen von 184 Mil­lio­nen Franken, wenn die Auto­bah­nen aus­ge­baut wür­den. Dies vor allem, weil die Zahl der Staus­tun­den sinke.

Jedoch ist der Fachver­band VSS mit­tler­weile zur Räson gekom­men und rech­net mit anderen, bre­it­er abgestützten Werten. Auf­grund der­er resul­tiert immer noch ein Nutzen – dieser fällt aber voraus­sichtlich um 41 % tiefer aus als mit der alten Rechen­norm. Das wären dann nur noch 65 Mil­lio­nen Franken.

Das wisse man beim ASTRA wohl, räumt dessen Medi­en­stelle ein. Die über­ar­beit­eten Zahlen seien jedoch noch nicht kon­so­li­diert und gäl­ten voraus­sichtlich erst in eini­gen Monat­en. Darum wäre es «unser­iös», die neuen, vom VSS kor­rigierten Zahlen zu ver­wen­den.

Das ASTRA will auch im Abstim­mungskampf mit mut­masslich falschen, sich­er aber ver­al­teten Zahlen argu­men­tieren. Lauterkeit geht anders.

Allerd­ings: Die neuen Zahlen wer­den ausser­halb der Bun­desver­wal­tung längst angewen­det. So hat das Beratung­sun­ternehmen Ecoplan im Auf­trag des Kan­tons Schwyz bere­its vor einem Jahr eine Unter­suchung zur Umfahrung in Küss­nacht durchge­führt. Dabei wur­den sowohl die aktuell gültige Norm als auch der neue Ansatz in die Bew­er­tung ein­be­zo­gen; bei let­zterem zeigte sich, dass die Staukosten deut­lich geringer aus­fie­len.

Unschön an der Geschichte: Das Bun­de­samt für Strassen erwäh­nt die neuen Rechen­nor­men und deren Auswirkun­gen in der Botschaft mit kein­er Silbe. Nicht ein­mal eine Fuss­note war die neue Zahlen­ba­sis wert. Das Par­la­ment kon­nte in der Güter­ab­wä­gung also nicht wis­sen, dass das ASTRA wom­öglich etwas gar dick aufträgt. Schlim­mer noch: In der Folge wird auch im Abstim­mungskampf mit mut­masslich falschen, sich­er aber ver­al­teten Zahlen argu­men­tiert. Lauterkeit geht anders.

Damit wer­den die Stim­menden ver­schaukelt. Es darf nie­man­den wun­dern, wenn das Ver­trauen in den Staat und dessen Ver­wal­tungsstellen schwindet. Die Auswirkun­gen von Strassen­baupro­jek­ten sind hochkom­plex; da ist es prob­lema­tisch, Zahlen zu präsen­tieren, von denen man weiss, dass sie keinen Bestand haben wer­den. Zudem drängt sich die Frage auf, warum mehr als 5 Mil­liar­den Franken für einen Auto­bah­naus­bau aus­gegeben wer­den sollen, der bei weit­em nicht ein­löst, was die Botschaft des Bun­des ver­spricht.

Der Beitrag wurde für Selim Egloff ver­fasst und erschien auf autobahnausbau-nein.ch.

Brislach macht die Schulwege sicherer

Brislach macht die Schulwege sicherer

Brislach macht die Schulwege sicherer

Auf den Strassen der Gemeinde Bris­lach (BL) gab es bis­lang einige gefährliche Stellen. Um die Schul­wege sicher­er zu gestal­ten, hat sich der Gemein­der­at an den VCS gewandt. Dank des VCS Mobil­ität­skonzept Schule sind nun die Opti­mierun­gen in Arbeit.

aus VCS-Mag­a­zin 2/2024

VCS Schweiz

Man kann get­rost sagen, dass es beschaulich zu und her geht in Bris­lach. Die kleine Gemeinde im Laufen­tal – zwis­chen Zwin­gen und Bre­it­en­bach – liegt just an der Gren­ze zum Kan­ton Solothurn. 1750 Men­schen leben im Dorf, es gibt drei Beizen und die Lüs­sel, die, vom Pass­wang her fliessend, die Gemeinde quert.

Im örtlichen Schul­haus mit Kinder­garten sind derzeit rund 140 Kinder eingeschrieben. Deren sicher­er Schul­weg liegt den Bris­lacherin­nen und Bris­lach­ern am Herzen. Darum hat die Gemein­de­v­er­samm­lung beschlossen, man wolle die gefährlichen Eck­en im Ort entschär­fen. Ein Fall für das Verkehrssicher­heit­steam des VCS, welch­es im Rah­men der VCS Mobil­ität­skonzepte Schule nach ebendiesen neu­ral­gis­chen Stellen Auss­chau hält, dabei Eltern, Lehrper­so­n­en und Schulkinder ein­bezieht und her­nach Möglichkeit­en für Verbesserun­gen aufzeigt.

Die Ein­schätzung von aussen­ste­hen­den Fach­leuten sei äusserst hil­fre­ich, sagt der Bris­lach­er Gemein­de­v­er­wal­ter Samir Stroh: «Es ist als kleinere Agglom­er­a­tions­ge­meinde ohne eigene Verkehrsabteilung nicht immer ein­fach, her­auszufind­en, wie es um die Sicher­heit der gemein­deeige­nen Verkehrsin­fra­struk­tur ste­ht.»

Samir Stroh

Ortstermin in Brislach

Verkehrssicher­heits­fach­leute des VCS und der Beratungsstelle für Unfal­lver­hü­tung BFU haben darum die gängi­gen Schul­wege vor Ort inspiziert. Dabei find­et sich fast immer die eine oder andere Gefahren­quelle: eine Hecke, die den Blick auf eine Aus­fahrt verdeckt; ungün­stig platzierte Fuss­gänger­streifen, fehlende Markierun­gen. Ab und an duck­en sich die Exper­tin­nen und Experten, um die Welt aus der Augen­höhe der Schulkinder zu sehen. «Wir waren froh, dass wir nach der Sicher­heit­sun­ter­suchung das generelle Feed­back erhal­ten haben, so schlecht sehe es in Bris­lach gar nicht aus», sagt Stroh. Trotz­dem gab es etliche Stellen mit Opti­mierungspoten­zial: «Mit eini­gen aufgezeigten Gefahren­stellen haben wir gerech­net, andere hat­ten wir jedoch nicht auf dem Radar.»

Mit­tler­weile hät­ten die Bris­lach­er Behör­den erste Verbesserun­gen vornehmen lassen, berichtet Stroh: «Es gab einige Verkehrsstellen, welche sich über­raschend ein­fach mit weni­gen Markierun­gen entschär­fen liessen.» Gut, find­et VCS-Pro­jek­tlei­t­erin Kat­ja Marthaler. Allerd­ings räumt sie ein: «Dies ist lediglich ein erster Schritt, weil durch die Markierun­gen alleine die Verkehrssicher­heit nicht erhöht wird. Es braucht weit­ere Mass­nah­men, wie etwa Poller, welche die Fuss­gänger­längsstreifen von der restlichen Fahrbahn tren­nen.»

 

Samir Stroh

Für Stroh ist dies in erster Lin­ie eine Frage der Zuständigkeit­en: «Wir haben zunächst umge­set­zt, was in die rechtliche oder finanzielle Kom­pe­tenz des Gemein­der­ates fällt.» Weit­ere Mass­nah­men bedürften der Auf­nahme ins ordentliche Bud­get und kön­nen erst dann in Angriff genom­men wer­den. Und was hal­ten die Bris­lacherin­nen und Bris­lach­er von den Neuerun­gen? Gemäss Samir Stroh sehe man die Verän­derun­gen im Dorf gross­mehrheitlich pos­i­tiv.

Es geht weiter

Die Verkehrssicher­heit bleibe im Dorf denn auch ein The­ma, sagt Stroh: «Wir haben Tem­po 30 als Idee angestossen. Derzeit beziehen wir die Bevölkerung in die Diskus­sion ein und machen eine Umfrage.» Je nach deren Aus­gang werde der Gemein­der­at mit einem Umset­zungsvorschlag an die Gemein­de­v­er­samm­lung gelan­gen.

Andreas Käser­mann

Tachopflicht für schnelle E‑Bikes

Tachopflicht für schnelle E‑Bikes

Tachopflicht für schnelle E‑Bikes

Im laufend­en Jahr gilt es, einige neue Regeln im Strassen­verkehr zu beacht­en: Ab April ist etwa ein Tachome­ter für schnelle E‑Bikes oblig­a­torisch. Der Bund will damit die Verkehrssicher­heit verbessern.

aus VCS-Mag­a­zin 1/2024

VCS Schweiz

Zwar sind bere­its die meis­ten E‑Bikes mit einem Geschwindigkeitsmess­er aus­gerüstet – jedoch ist ein solch­er bis­lang auf Schweiz­er Strassen nicht oblig­a­torisch. Dies ändert am 1. April, wie der Bun­desrat bere­its vor län­ger­er Zeit beschlossen hat. Mit der Tachopflicht soll die Sicher­heit im Verkehr verbessert wer­den, schreibt das Bun­de­samt für Strassen ASTRA.

Eine ein­fache Mass­nahme, welche Wirkung hat, meint VCS-Verkehrssicher­heit­sex­perte Michael Rytz: «Die eigene Geschwindigkeit wird beim Velo­fahren häu­fig unter­schätzt. Ganz beson­ders wer mit schnellen E‑Bikes unter­wegs ist, über­schre­it­et ab und an unge­wollt das Tem­polim­it in 20er- und 30er-Zonen. Eine Geschwindigkeit­sanzeige kann helfen, heik­le Sit­u­a­tio­nen und Zusam­men­stösse mit Fuss­gän­gerin­nen und Fuss­gängern zu ver­mei­den.»

Thom­my Weiss/pixelio.de

Vor­erst gilt die Tachome­terpflicht bloss für neue E‑Bikes, welche bis 45 km/h fahren. Schnelle Elek­tro­v­e­los, die bere­its vor dem Stich­tag in Betrieb waren, müssen bis April 2027 nachgerüstet wer­den. Keine Tachopflicht gibt es für langsame E‑Bikes. Auch bere­its klar ist, was das Fehlen eines Tachos kostet: «Für das Fahren ohne den erforder­lichen Geschwindigkeitsmess­er ist eine Ord­nungs­busse von Fr. 20.– vorge­se­hen», ver­laut­bart das ASTRA.

Beleuchtungspflicht seit 2022

Zeit­gle­ich mit der Tachopflicht hat der Bun­desrat vor gut zwei Jahren beschlossen, dass E‑Bikes auch tagsüber mit Licht fahren müssen. Diese Vorschrift gilt bere­its seit zwei Jahren, wird aber häu­fig nicht beachtet. Die Beratungsstelle für Unfal­lver­hü­tung BFU hat im ver­gan­genen Herb­st eine Sta­tis­tik veröf­fentlicht, wonach 91 Prozent der schnellen E‑Bike-Fahren­den tagsüber mit Licht unter­wegs sind – jedoch ist das Licht bei Tage nur etwa bei drei Vierteln der langsameren Elek­tro­v­e­los eingeschal­tet.

​Das ändert sich beim Autofahren

Auch für Auto­mo­bilistin­nen und Auto­mo­bilis­ten gibt es im laufend­en Jahr Neuerun­gen: So wird der alte blaue Führerausweis aus Papi­er zum Aus­lauf­mod­ell. Ab dem 1. Novem­ber gel­ten nur noch die Ausweise im Bankkarten­for­mat. Haupt­grund: Der blaue Führerausweis ist im Aus­land nicht über­all anerkan­nt. Ausser­dem wird neuerd­ings erst ab 75 Jahren eine medi­zinis­che Unter­suchung fäl­lig, wenn erst­mals ein Gesuch um einen Lern­fahr- oder Führerausweis gestellt wird. Bish­er lag die Alters­gren­ze für diese Testpflicht bei 65 Jahren. Diese Anpas­sung tritt am 1. März in Kraft.

Beden­klich, find­et Michael Rytz: «Die Beleuch­tung des Velos ist auch tagsüber ein entschei­den­der Fak­tor, um das eigene Unfall­risiko zu senken. Die schlanke Sil­hou­ette eines Fahrrads ist je nach Lichtver­hält­nis­sen für andere Verkehrsteil­nehmende schwierig zu erken­nen. Dessen sind sich viele zu wenig bewusst. Licht kann helfen und geht beim E‑Bike ja sog­ar ohne zusät­zliche Anstren­gung.» Gemäss der BFU-Sta­tis­tik wird allerd­ings auch in der Däm­merung und während der Nacht häu­fig ohne Licht gefahren: Jedes elfte langsame E‑Bike ist auch bei Dunkel­heit ohne Beleuch­tung unter­wegs. Weit­et man den Blick auf alle Fahrräder, so fährt gar jede vierte Per­son nachts ohne Licht.

Eben­falls bere­its seit län­ger­er Zeit – seit nun­mehr drei Jahren – ist das Rechtsab­biegen für Velo­fahrende an Ampeln auch bei rotem Sig­nal erlaubt, sofern dies entsprechend aus­geschildert ist. Zwar ohne Vor­trittsrecht und mit der entsprechen­den Vor­sicht; aber immer­hin. Die Regel soll in erster Lin­ie das Velo als Verkehrsmit­tel fördern – sie ist jedoch mitunter noch unbekan­nt. So wer­den Rad­fahrerin­nen und Rad­fahrer, welche sich kor­rekt ver­hal­ten und auch bei rot­er Ampel rechts abbiegen, nicht sel­ten zu Unrecht mit Hup­konz­erten bedacht oder hören Zurechtweisun­gen aller Art.

Andreas Käser­mann