Ein Nein mit Alternativen

Ein Nein mit Alternativen

Ein Nein mit Alternativen

Die Ablehnung des Aus­baus der Auto­bah­nen eröffnet andere und bessere Möglichkeit­en. In Bun­des­bern schlum­mern näm­lich aus­gereifte verkehrspoli­tis­che Alter­na­tiv­en, denen man viel zu lange viel zu wenig Beach­tung geschenkt hat. Jet­zt ist Gele­gen­heit zum Nach- und Umdenken.

aus VCS-Mag­a­zin 1/2025

VCS Schweiz

Die Auto­bahn-Befür­wor­tenden wirk­ten an jen­em Abend des Abstim­mungsson­ntags im Novem­ber ziem­lich rat­los. In den lan­gen Gesichtern spiegel­ten sich die Frageze­ichen förm­lich. Wie weit­er? Aus ihrer Sicht war der Auto­bahn-Aus­bau alter­na­tiv­los – vor der Abstim­mung einen Plan B auszuheck­en, schien ihnen unnötig. Dabei gibt es der Konzepte einige; bloss wur­den diese teil­weise jahre­lang von densel­ben ver­schleppt, die nun kon­stern­iert und konzept­los in die Runde blick­ten.

Bahn statt Autobahn

Die offen­sichtlich­ste Vari­ante ist fra­g­los die Bahn. Während das Sys­tem Strasse störungsan­fäl­lig und darum stauge­fährdet ist, ist das zügige Vor­wärt­skom­men auf der Schiene prak­tisch immer garantiert. Entsprechend muss auch investiert wer­den, find­et VCS-Geschäfts­führerin Stéphanie Pen­her: «Unbe­strit­ten: Bahn-Investi­tio­nen sind auch teuer. Aber sie sind wesentlich nach­haltiger und – auch angesichts der Kli­makrise – die bessere Lösung. Überdies hil­ft eine Steigerung der Bahn-Kapaz­itäten, die Strassen zu ent­las­ten, damit diese frei sind für jene, die sie wirk­lich benöti­gen.»

Andere Konzepte liegen auch ein­fach nur brach. Ein Beispiel ist «Mobil­i­ty Pric­ing». Der Bun­desrat hat die Grund­la­gen für Ver­suchs­be­triebe vor nun­mehr vier Jahren geschaf­fen. Passiert ist nichts. Nir­gend­wo wurde «Mobil­i­ty Pric­ing» probe­hal­ber instal­liert, moniert Pen­her: «Das Konzept vergam­melt irgend­wo in den Schubladen der Ver­wal­tun­gen. Dabei ist ‹Mobil­i­ty Pric­ing› ein Instru­ment, das der Steuerung des Verkehrs dienen kann und überdies das Verur­sacher­prinzip hochhält.»

Rain­er Sturm/pixelio.de

Verkehr verbessern

Wo der Strassen­verkehr nicht ver­lagert wer­den kann, sollte er zumin­d­est verbessert wer­den. Als Bindeglied zwis­chen Ver­lagerung und Verbesserung funk­tion­iert das Pro­gramm «Mobil­ität und Raum 2050» des Bun­de­samts für Rau­men­twick­lung. Es gibt den Rah­men für die langfristige Entwick­lung des schweiz­erischen Verkehrssys­tems vor und nimmt dabei Rück­sicht auf raum­planer­ische und Umweltaspek­te. «Das Pro­gramm set­zt ins­beson­dere auf das Sys­tem der Verkehrs­drehscheiben», sagt Pen­her. An diesen tre­ffe ver­schiedene Verkehrsmit­tel zusam­men und kön­nen ide­al verknüpft wer­den. «Ob Shar­ing-Auto oder ‑Velo, Zug, Tram oder Bus – das Sys­tem fördert die Nutzung des jew­eils geeignet­sten Verkehrsmit­tels.» Damit wird zwar kein gefahren­er Kilo­me­ter einges­part – aber immer­hin opti­miert.

Umsetzen statt lamentieren

Die Ideen für eine zeit­gemässe und zukun­ft­staugliche Verkehrs­pla­nung lägen also auf dem Tisch. Man bräuchte sie nur noch zu real­isieren. Das Nein zum Aus­bau der Auto­bah­nen kann Startschuss für eine neue Denkweise sein. Allem Anschein nach ist man im Verkehrs­de­parte­ment nun gewil­lt, diesen Weg zu gehen. Verkehrsmin­is­ter Rösti sieht vor, die Bahn und die Strasse und die Agglom­er­a­tionspro­jek­te gemein­sam mit einem ETH-Experten und zusam­men mit den wichtig­sten Stake­hold­ern zu denken und zu pla­nen – mit dabei: der VCS mit der Posi­tion gegen Mehrverkehr und für mehr Kli­maschutz.

Bundeskanzlei/Béatrice Devènes

Freilich lässt sich Rösti in der Auto­bah­n­frage eine Hin­tertüre offen: Sein­er Mei­n­ung nach haben die Stim­menden im Novem­ber näm­lich bloss ein über­ladenes Fud­er abgelehnt. Das kön­nte über­set­zt heis­sen, dass man es in kleinen Por­tio­nen noch ein­mal ver­suchen kön­nte. Pen­her kann sich sog­ar ein «Bue­be­t­rick­li» vorstellen, welch­es der Verkehrsmin­is­ter erson­nen hat: «Es ist denkbar, dass Verkehrspro­jek­te verknüpft wer­den. So kön­nte der Bund Geld für ein Tram lock­er­ma­chen, sofern gle­ichzeit­ig der Wider­stand gegen einen Auto­bahn-Aus­bau gebrochen ist. Das wäre dann allerd­ings höchst undemokratisch. In dieser Hin­sicht müssen wir wach­sam bleiben.»

Andreas Käser­mann

Öffentlichen Verkehr nicht kaputtsparen

Öffentlichen Verkehr nicht kaputtsparen

Öffentlichen Verkehr nicht kaputtsparen

Das Sig­nal, welch­es die Stim­menden mit dem Nein zum Auto­bahn-Aus­bau aus­ge­sendet haben, ist klar: Sie wollen weg von einem Verkehrssys­tem, das sich auf das Auto konzen­tri­ert. Betra­chtet man die jüng­sten Diskus­sio­nen um Bud­gets und Finanzen, so ist diese Wil­lens­bekun­dung offen­sichtlich noch nicht in der Poli­tik angekom­men.

aus VCS-Mag­a­zin 1/2025

VCS Schweiz

Ein stärk­er­er öffentlich­er Verkehr (ÖV) und bessere Velowege müssen finanziert sein. Der  Bun­desrat will aber den Deck­ungs­grad für die ÖV-Kosten anpassen und bes­timmte Streck­en stre­ichen – ins­beson­dere in ländlichen Regio­nen. Die angestrebten Kürzun­gen bedeuteten das Aus für wichtige regionale Verbindun­gen. Das ist Gift für die drin­gend nötige Verkehr­swende. Immer­hin zeigte sich das Par­la­ment in den Bud­get­diskus­sio­nen im Dezem­ber hin­sichtlich der Kürzun­gen sehr skep­tisch und schick­te den Bun­desrat noch ein­mal über die Büch­er. Den­noch hat dieser nun eine Sparkeule in die Vernehm­las­sung geschickt, welche beim ÖV und beim Kli­maschutz viele und bei den Auto­bah­nen kaum Abstriche macht. Ins­beson­dere der inter­na­tionale Bah­n­verkehr müsste auf Mit­tel  verzicht­en, die erst voriges Jahr vom Par­la­ment beschlossen wor­den sind.

Der VCS lehnt den bun­desrätlichen Sparkurs beim ÖV entsch­ieden ab. Er ist unsin­nig – beson­ders in ein­er Zeit, in der ein Aus­bau für eine Ver­schiebung des Modal­splits hin zum ÖV nötig ist, meint Mar­tin Winder, VCS-Bere­ich­sleit­er Verkehrspoli­tik und Kam­pag­nen: Wenn es Kosteneinsparun­gen braucht, müssen diese vielmehr auf der Strasse und beim Nation­al­strassen- und Agglom­er­a­tions­fonds (NAF) real­isiert wer­den.»

Neue Steuer für E‑Autos

Doch der Bun­desrat set­zt nicht nur auf Spar­mass­nah­men; er sucht auch nach neuen Pfrün­den. So will Bun­desrat Albert Rösti eine neue Abgabe für Elek­troau­tos. Diese wer­den derzeit einzig bei der Ein­fuhr besteuert – die Min­er­alöl­s­teuer ent­fällt aber natür­lich bei den Elek­trischen; eine ver­gle­ich­bare Abgabe wurde bis­lang nicht erhoben.

Unter­dessen gibt es mehr und mitunter auch gün­stige Mod­elle. Der Verkehrsmin­is­ter blickt darum voraus: mit der Elek­tri­fizierung des Fahrzeugbe­stands sinken die Ein­nah­men aus der Min­er­alöl­s­teuer, weil immer weniger Ben­zin und Diesel verkauft wird; der NAF dro­ht auszutrock­nen. Dass die Sub­ven­tion via Steuergeschenke an Besitzende von Elek­troau­tos ein Ende hat, begrüsst Winder: «Elek­troau­tos benutzen die Infra­struk­tur genau gle­ich wie Ver­bren­ner. Eine mod­er­ate ver­brauchsab­hängige Abgabe für E‑Autos ist darum sin­nvoll. Sie muss aber so aus­gestal­tet sein, dass die Elek­tri­fizierung des Strassen­verkehrs nicht aus­ge­bremst wird.»

SBB CFF FFS

Agglomerationsprogramme stärken

In Bezug auf die Agglom­er­a­tionspro­gramme erwartet Winder vom Bun­desrat zusät­zlich eine stärkere Zweck­bindung der Mit­tel für den Aus­bau des ÖV, des Veloverkehrs und der Infra­struk­tur für Fuss­gän­gerin­nen und Fuss­gänger: «Die Agglom­er­a­tionspro­gramme sind ein wirk­sames Mit­tel, doch sind sie unter­dotiert. Aktuell wer­den unge­fähr 11 Prozent des NAF für die Agglom­er­a­tionspro­gramme ver­wen­det – wir fordern 20 Prozent.»

Agglom­er­a­tionspro­gramme böten näm­lich echte Lösun­gen für Mobil­ität­sprob­leme, ergänzt Winder: «Ein gutes Beispiel ist das Tram: In den Stadtzen­tren ist es eine effiziente Alter­na­tive zum Auto. Der Bund beteiligt sich allerd­ings in der Regel nur zu 30 bis 45 Prozent an Tram­pro­jek­ten. Angesichts des Poten­zials von Trams müsste der Bun­de­san­teil auf min­destens 70 Prozent erhöht wer­den.»

Andreas Käser­mann

Die Poli­tik – und ins­beson­dere der Bun­desrat – muss die Notwendigkeit gross­er Investi­tio­nen in den ÖV und in die Agglom­er­a­tionspro­gramme endlich anerken­nen. Die Schweiz­erin­nen und Schweiz­er wollen keine autozen­tri­erte Verkehrspoli­tik – das haben sie im Novem­ber an der Urne deut­lich gemacht. Nun aber angesichts enger Finanzen nur auf den Bun­de­shaushalt zu schie­len und dabei die besseren Verkehrsträger kaputtzus­paren ist keine Poli­tik mit Weit­blick.

Andreas Käser­mann

Ein Fass ohne Boden

Ein Fass ohne Boden

Ein Fass ohne Boden

Ganze 5,3 Mil­liar­den Franken soll der Auto­bahn-Aus­bau kosten. Doch ist mehr als fraglich, ob es dabei bleibt. Wenn der Bund näm­lich ein gross­es Pro­jekt in die Hand nimmt, fällt die Rech­nung am Schluss meist höher aus. Oft sog­ar viel höher.

aus VCS-Mag­a­zin 4/2024

VCS Schweiz

Man sollte meinen, dass die Exper­tise im Umgang mit Zahlen in der Bun­desver­wal­tung gut vorhan­den sein sollte. Aber dieser Ein­druck täuscht zuweilen. Ger­ade diesen Som­mer wurde ein Tohuwabo­hu bei der AHV pub­lik, welch­es das zuständi­ge Bun­de­samt für Sozialver­sicherun­gen in wüsten Ver­ruf brachte. Es stünde gar nicht so schlimm wie ver­mutet um die Altersvor­sorge – man habe sich um sat­te vier Mil­liar­den ver­rech­net.

Doch auch dieser Wert stimmte offen­bar nicht und das Bun­de­samt hat ein paar Wochen später erneut neue Zahlen geliefert – dies­mal gut zwei Mil­liar­den, um die man sich ver­tan habe. Das Resul­tat war das Mis­strauen der Öffentlichkeit und am Ende eine schal­lende Ohrfeige an der Urne: Die Stim­menden sagten Nein zur Reform der zweit­en Säule.

Auch in anderen Bere­ichen hat die Bun­desver­wal­tung heuer kein glück­lich­es Händ­chen im Umgang mit Zahlen bewiesen. Das Bun­de­samt für Strassen ASTRA – seines Zeichens zuständig für die Nation­al­strassen – hat näm­lich aus­gerech­net, was die Staus auf den Auto­bah­nen kosten. Das ASTRA fol­gerte daraus, dass der volk­swirtschaftliche Nutzen eines Auto­bahn-Aus­baus bei 184 Mil­lio­nen Franken jährlich liege.

Andreas Hermsdorf/pixelio.de

Bundesamt im Kampagnen-Modus

Doch die NZZ am Son­ntag deck­te im Som­mer auf, dass auch diese Zahlen einen Hak­en haben. Sie sind erstens unge­nau und zweit­ens ver­al­tet. Dessen ist man sich beim ASTRA wohl bewusst. Aber die neuen Berech­nungs­grund­la­gen seien von der Branche halt noch nicht anerkan­nt und darum noch nicht zu ver­wen­den. Inter­es­sant dabei: Auch nach neuer Rechenart resul­tiert ein volk­swirtschaftlich­er Nutzen aus bre­it­eren Auto­bah­nen. Bloss ist der mit 65 Mil­lio­nen – statt deren 184 – ein gutes Stück weniger spek­takulär.

Entsprechend war in der Bun­desrats­botschaft ans Par­la­ment nur vom höheren Betrag die Rede. Die neueren, genaueren Zahlen waren den Zuständi­gen nicht ein­mal eine Fuss­note wert. Der neue Ansatz gelte erst in eini­gen Monat­en; also nach der Abstim­mung über den Auto­bahn-Aus­bau, mut­masst das Bun­de­samt. Das ist ein bemerkenswert­er Zufall; beson­ders in Anbe­tra­cht dessen, dass die Abstim­mungs­frage am 24. Novem­ber das Kerngeschäft des ASTRA bet­rifft.

Voranschlag mehr als fragwürdig

Doch den Kam­pag­nen­strate­gin­nen und ‑strate­gen kom­men nicht nur grosszügige Zahlen über den Nutzen eines Pro­jek­ts zu Hil­fe. Auch wenn die abse­hbaren Kosten möglichst ger­ing sind, verbessert dies die Aus­sicht auf einen Abstim­mungser­folg.

Zwar sind 5,3 Mil­liar­den Kosten für gut 30 km neue Auto­bahn­spuren und eine Hand­voll Tun­nel nicht ger­ade ein Schnäp­pchen; aber den­noch ver­mut­lich der Min­i­mal­be­trag. Die Erfahrung zeigt näm­lich, dass in den Kam­pag­nen – wohl um das Abstim­mungsre­sul­tat nicht zu gefährden – fast durch­wegs mit ein­er Zahl an der unter­sten Gren­ze der Preiss­panne hantiert wird. Wenn man sich dann im Ver­lauf des Pro­jek­ts der wirk­lichen Kosten gewahr wird, ist es für einen Abbruch meist zu spät. Zäh­neknirschend wird dann neues Geld bere­it­gestellt.

Dafür gibt es zahlre­iche Beispiele. Drei promi­nente Exem­pel:

  • Neue Alpen-Trans­ver­sale NEAT: Bei der Volksab­stim­mung von 1998 ver­an­schlagte der Bun­desrat die Kosten noch auf 13,6 Mil­liar­den Franken. Let­ztlich betru­gen die Kosten rund 22,8 Mil­liar­den Franken. Über­schre­itung: 68 Prozent.
  • Beschaf­fung F/A 18: Im Jahr 1993 wur­den die Kosten für die Beschaf­fung von 34 F/A‑18-Kampf­flugzeu­gen im Abstim­mungs­büch­lein auf etwa 3,5 Mil­liar­den Franken geschätzt. Die endgülti­gen Kosten stiegen auf rund fünf Mil­liar­den Franken. Plus 43 Prozent.
  • Belchen­tun­nel: Der dritte Strassen­tun­nel durch den Belchen sollte ursprünglich 270 Mil­lio­nen Franken kosten. Das Geld reichte bei weit­em nicht: der Tun­nel kostete let­ztlich rund 500 Mil­lio­nen Franken – 85 Prozent mehr als ver­an­schlagt.

Wenn der Bund ein gross­es Pro­jekt in die Hand nimmt, wer­den die Kosten so gut wie immer über­schrit­ten. Mitunter erhe­blich. Doch ist das Phänomen nicht nur in der Schweiz bekan­nt. Im Rah­men ein­er Studie der Her­tie School of Gov­er­nance wur­den 170 öffentliche Grosspro­jek­te in Deutsch­land unter­sucht. Die Diskrepanz zwis­chen Plan- und Mehrkosten lag bei durch­schnit­tlich 73 Prozent. Reko­rd­hal­ter war dabei das Atom­kraftwerk in Kalkar. Es wurde 1985 fer­tiggestellt, kostete 494 Prozent mehr als ver­an­schlagt, ging aber nie in Betrieb. Eine ver­i­ta­ble Investi­tion­sru­ine.

Michael Heynemann/pixelio.de

Preisbarometer zeigt nach oben

Mar­tin Winder, VCS-Bere­ich­sleit­er Poli­tik und Kam­pag­nen, rech­net auch beim Auto­bahn-Aus­bau mit Kostenüber­schre­itun­gen: «Das Preiss­child von 5,3 Mil­liar­den dürfte zu knapp bemessen sein. Ein­er­seits lehrt uns dies die Erfahrung – ander­er­seits dürften ins­beson­dere die vier Tun­nel­pro­jek­te in der Bauphase noch mit Über­raschun­gen und Mehrkosten aufwarten.»

Wenn der Bund ein gross­es Pro­jekt in die Hand nimmt, wer­den die Kosten so gut wie immer über­schrit­ten. Mitunter erhe­blich.

Der ver­an­schlagte Betrag beruhe auf einem Best-Case-Szenario und berück­sichtige das Preis­ge­füge der frühen 2020er-Jahre, sagt Winder weit­er. Die Baukosten im Strassen­bau hät­ten aber in der Ver­gan­gen­heit zugenom­men. Das liesse sich auf eine Rei­he von Fak­toren zurück­führen: «Ein wichtiger Kos­ten­treiber ist die Infla­tion. Höhere Preise für Dien­stleis­tun­gen und Energie tra­gen auch zu höheren Baukosten bei.» Fern­er seien die Preise für Bau­ma­te­ri­alien wie Asphalt, Beton, Stahl und andere notwendi­ge Rohstoffe in den let­zten Jahren weltweit gestiegen: «Namentlich, weil diese Rohstoffe knapp sind, wegen höher­er Trans­portkosten und der gestiege­nen Nach­frage nach diesen Mate­ri­alien in anderen Sek­toren.»

Blackbox Unterhalt

Auto­bah­nen kosten allerd­ings nicht bloss während der Erstel­lung viel Geld. Ein­mal gebaut, wollen sie gepflegt wer­den. Das ASTRA schrieb in seinem let­zten Net­z­zu­s­tands­bericht, im All­ge­meinen sei das Netz in einem zufrieden­stel­len­den bis guten Zus­tand, auch wenn der Ziel­w­ert nicht ganz erre­icht werde. Und: es gibt dur­chaus Makel. «Einige Betriebs- und Sicher­heit­saus­rüs­tun­gen sind in einem alarmieren­den Zus­tand.» Man habe Mass­nah­men ein­geleit­et, um die Män­gel zu beheben: «2022 investierte das ASTRA 1,06 Mil­liar­den Franken in den Unter­halt und damit in den Erhalt des Nation­al­strassen­net­zes.» Mit Blick auf die näch­sten Jahre rech­net man beim Bund mit ähn­lichen, aber leicht steigen­den Unter­halt­skosten.

Aus Sicht von Winder ist der Unter­halt zwar wichtig für die Sicher­heit, aber alles andere als bil­lig: «Gemessen an den 2250 km Länge des Nation­al­strassen­net­zes, kostet jed­er Kilo­me­ter Auto­bahn jährlich sat­te 532 000 Franken Unter­halt.» Ausser­dem sei der Bud­get­posten in den let­zten Jahren gewach­sen und würde auch ob mehr Fahrspuren kün­ftig eher zu- als abnehmen, prog­nos­tiziert Winder. «Selb­stver­ständlich wollen wir die beste­hen­den Auto­bah­nen nicht vergam­meln lassen. Aber durch einen Aus­bau weit­er ver­teuern soll­ten wir sie auch nicht. Das sind wir unseren Kindern schuldig.»

Andreas Käser­mann

Mehr Strassen schaffen mehr Verkehr – nicht weniger Stau

Mehr Strassen schaffen mehr Verkehr – nicht weniger Stau

Mehr Strassen schaffen mehr Verkehr – nicht weniger Stau

Beitrag für das Jahrbuch Strassen­verkehr 2025 – geschrieben für David Raedler, Co-Präsi­dent VCS Verkehrs-Club der Schweiz.

Unlängst wartete ich an ein­er Bushal­testelle am Stad­trand und schaute dem Verkehr zu. Auto an Auto rei­hte sich in der Rush Hour aneinan­der, die Fahrerin­nen und Fahrer – die meist allein in ihren Fahrzeu­gen sassen – blick­ten ger­adeaus. Kolon­nen  zwängten sich an Fas­saden vor­bei. Wenn die Häuser nicht dastün­den, kön­nte man die Strassen ver­bre­it­ern, denke ich. Aber nein: Wenn die Häuser nicht wären, gäbe es ver­mut­lich gar keine Strassen.

Bis in die hin­ter­sten Täler haben wir uns niederge­lassen. Und zu all diesen Sied­lun­gen führt eine mehr oder weniger gut aus­ge­baute, mitunter auch enge oder gefährliche Strasse. Wenn es zu eng und zu gefährlich wird, wird die Strasse asphaltiert, ver­bre­it­ert, verbessert. Stück um Stück wächst der Strassen­raum.

Das­selbe Konzept gilt auch ander­swo, wenn dem Strassen­verkehr der Tep­pich aus­gerollt wer­den soll: Gibt es in einem städtis­chen Quarti­er jeden Abend Stau, wird zugun­sten ein­er bre­it­eren Strasse auch mal eine Rei­he alter Bäume hin­gerichtet. Und ste­ht man auf der Auto­bahn im Stau, kommt als­bald ein windig-wendi­ger Poli­tik­er daher und fordert mehr Fahrspuren. Der Poli­tik­er ver­spricht, dass sich damit der Stau in Luft auflöst und let­ztlich alle zufrieden sind. Die Quartiere wür­den von Rück­staus befre­it, in den Ortschaften gäbe es keinen Kolon­nen­verkehr mehr und die Städte seien zum Feier­abend nicht mehr ver­stopft. So erzählt er.

ASTRA

Bloss: Er irrt! Die Strassen sind erstens in der Regel nur zu den Spitzen­zeit­en über­lastet, während die beste­hende Infra­struk­tur in der übri­gen Zeit bei weit­em aus­re­icht. Ausser­dem kommt es zweit­ens zur Über­las­tung der Strassen, weil in den Autos – gemäss Bun­de­samt für Sta­tis­tik – ger­ade zu Pendlerzeit­en durch­schnit­tlich nur 1,1 Per­so­n­en sitzen. Das ist reich­lich inef­fizient. Drit­tens pro­duzieren mehr Strassen neuen Bedarf. Wird eine Auto­bahn aus­ge­baut, erhält sie mehr Kapaz­ität. Das merken auch jene, welche die Auto­bahn bis­lang nicht benutzt haben. Also nehmen auch sie die Auf­fahrt zur ver­bre­it­erten Auto­bahn, find­en es prak­tisch und helfen mit, sie gle­ich wieder zu ver­stopfen.

Das Resul­tat ken­nen wir aus dem Eff­eff: Jedes Mal, wenn es auf den Strassen eng wurde, sind die Bag­ger aufge­fahren. Die Strassen wur­den ver­bre­it­ert, neue Kapaz­itäten geschaf­fen. Das hat jew­eils für eine kurze Zeit gewirkt und es gab an den neu­ral­gis­chen Stellen weniger Staus. Doch ein paar Jahre später wurde es schon wieder eng. Und was hat man gemacht? Die Bag­ger sind aufge­fahren, die Strassen wur­den erneut ver­bre­it­ert, neue Kapaz­itäten geschaf­fen. Gel­ernt hat man nichts – der Teufel­skreis dreht munter weit­er.

Let­ztlich ist auch die Geschichte von den ent­lasteten Städten und Quartieren eine Mär. Wir leben ja nicht auf der Auto­bahn. Jedes Fahrzeug, welch­es auf der Auto­bahn fährt, hat dafür eine Sied­lung durch­quert, ist durch einen Stadt­teil oder ein Dorf gefahren und muss am Ende auf einem Park­platz abgestellt wer­den. Je mehr Autos nun also auf der Auto­bahn unter­wegs sind, umso öfter fahren Autos am Anfang und am Ende der Strecke über kleinere – soge­nan­nt unter­ge­ord­nete – Strassen.

Und trotz dieser offen­sichtlichen und vielfach bewiese­nen Tat­sachen wird sich die Schweiz ger­ade am Erschei­n­ungstag dieses Jahrbuchs inmit­ten ein­er neuer­lichen Aus­bau-Diskus­sion befind­en. Bun­desrat und Par­la­ment ver­sprechen, dem Stau ein Ende zu set­zen und wollen dafür wieder ein­mal die Auto­bah­nen ver­bre­it­ern. Wir vom VCS Verkehrs-Club der Schweiz haben dage­gen das Ref­er­en­dum ergrif­f­en – weil der Aus­bau die Prob­leme nicht löst, son­dern nur vertagt und ver­schärft. Ich werde sich­er Nein stim­men – damit wir die Fehler der Ver­gan­gen­heit nicht immer wieder aufs Neue wieder­holen. Und Sie?

Der Beitrag wurde für David Raedler ver­fasst und erschien im Jahrbuch Strassen­verkehr 2025.

(Un-)klare Regeln

(Un-)klare Regeln

(Un-)klare Regeln

Tem­po-30- und Begeg­nungszo­nen, Velo- und Schul­strassen: In verkehrs­beruhigten Zonen herrscht gle­ich­sam eine baby­lonis­che Sprachver­wirrung. Auch die jew­eils gel­tenden Verkehrsregeln sind mitunter nicht allen klar. Das VCS-Mag­a­zin sagt, was gilt.

aus VCS-Mag­a­zin 3/2024

VCS Schweiz

Ger­ade 35 Jahre ist es her, als der Bun­desrat die Grund­lage geschaf­fen hat, um in Wohn­quartieren Tem­po-30-Zonen einzuricht­en. Das war der eigentliche Startschuss zur Verkehrs­beruhi­gung. 1990 ent­stand dann in Win­terthur die erste Tem­po-30-Zone. Viele weit­ere im ganzen Land fol­gten. Mit­tler­weile gibt es in der Stadt Zürich rund 370 Kilo­me­ter Strassen in Tem­po-30-Zonen. Die Entwick­lung wird auch angekurbelt durch Vere­in­fachun­gen: 2023 ist die Gutacht­enpflicht ent­fall­en, welche zuvor lang­wierige Bewil­li­gung­sprozesse verur­sachte.

30 ist das neue 50

Unter­dessen wohnen rund 40 Prozent der Schweiz­er Bevölkerung an ein­er Tem­po-30-Zone und geniessen deren Vorzüge. Nie­mand möchte zum alten Tem­poregime zurück.

«Wohn­quartiere sind lebenswert­er gewor­den », blickt VCS-Verkehrssicher­heit­sex­perte Michael Rytz zurück. «Mit 30 km/h wird der Verkehrslärm gegenüber Tem­po 50 hal­biert. Schulkinder, Velo­fahrerin­nen und Fuss­gänger fühlen sich sicher­er.» Tat­säch­lich sinkt die Zahl der schw­eren Unfälle nach Ein­führung von Tem­po 30 um ein gutes Drit­tel.

An Ein­mün­dun­gen und Kreuzun­gen gilt in Tem­po-30-Zonen Rechtsvor­tritt – sofern keine andere Regelung sig­nal­isiert ist. Ausser­dem haben Fahrzeuge – mit der gebote­nen Vor­sicht – auch dann Vor­tritt, wenn die achtjährige Lena zur Schul­fre­undin auf die gegenüber­liegende Strassen­seite wech­selt oder Rent­ner Bieri im Bio­laden vis-à-vis einkaufen gehen will. Fuss­gänger­streifen, welche ihnen Vor­tritt gewähren wür­den, sind prak­tisch nicht exis­tent.

ASTRA

Solche sind näm­lich in der «Verord­nung über die Tem­po-30-Zonen» expliz­it aus­bedun­gen: «Die Anord­nung von Fuss­gänger­streifen ist unzuläs­sig», ste­ht da geschrieben. Aus­nah­men sieht der Artikel allerd­ings vor: etwa bei Schulen und Alter­sheimen. Auch vor dem Bun­de­shaus in Bern ist ein Fuss­gänger­streifen aufge­malt – trotz Tem­po-30-Zone. Ein Schelm, wer Bös­es dabei denkt!

Wo es keinen Fuss­gänger­streifen gibt – in Tem­po-30-Zonen also fast über­all – haben Fahrzeuge Vor­tritt. Velos eben­so wie Autos, Last- und Liefer­wa­gen oder Motor­räder. Wird Fuss­gän­gerin­nen und Fuss­gängern Vor­tritt gewährt, ist das Good­will. «Dessen sind sich viele nicht bewusst. Das kann gele­gentlich auch auf eigentlich ruhi­gen Quartier­strassen zu heiklen Sit­u­a­tio­nen führen», sagt Verkehrssicher­heit­sex­perte Rytz.

Strasse als Begegnungsort

Anders ist das Vor­trittsrecht in den Begeg­nungszo­nen geregelt. Deren Pre­miere grün­det in einem Ver­suchs­be­trieb in Burgdorf, wo 1995 die «Flanier­zone» getestet wurde. Das Konzept funk­tion­ierte gut und wurde 2002 als «Begeg­nungszone» in die Sig­nal­i­sa­tionsverord­nung über­führt.

In der Begeg­nungszone gilt 20 km/h als max­i­male Geschwindigkeit. Auch eben­da sieht das Gesetz keine Fuss­gänger­streifen vor; den­noch haben Fuss­gän­gerin­nen und Fuss­gänger Vor­tritt vor allen Fahrzeu­gen, betont Michael Rytz: «Die Verord­nung ver­langt, dass Begeg­nungszo­nen deut­lich erkennbar sind.» Oft ist zusät­zlich zum Strassen­schild ein gut sicht­bares «20» auf die Strasse gemalt. Häu­fig hat die Ein­fahrt einen Tor-Charak­ter. Weit­ere Gestal­tungse­le­mente weisen darauf hin, dass gemäch­lich­es Fahren angezeigt ist. «Häu­fig stellt man überdies bei der Fahrt durch einen solchen Abschnitt ganz automa­tisch fest, dass hier das Leben und nicht der Verkehr Vor­rang hat. Da ent­deckt man hier einen Ping-Pong-Tisch oder ein Dreirad und dort einen Grill oder ein Hock­ey­tor.»

ASTRA

Gedacht ist das Lim­it von 20 km/h natür­lich in erster Lin­ie für motorisierte Fahrzeuge. Indes schaf­fen sportliche Rad­fahrerin­nen und Rad­fahrer selb­st ohne Motor lock­er ein höheres Tem­po. Sie riskieren in der Begeg­nungszone eben­falls, gebüsst zu wer­den.

Velostrassen ohne Sonderrechte für Velos

Neueren Datums ist das Konzept der Velostrasse, welch­es auf mehreren nationalen Pilotver­suchen basiert. Die Bern­er Behör­den beze­ich­neten die Streck­en bei deren Ein­führung 2016 als «Velo-Kom­fortrouten, auf denen auch das Nebeneinan­der­fahren möglich ist.» Der Bund ermöglicht Velostrassen seit 2020. Michael Rytz: «Velostrassen sollen gute Fahrrad­verbindun­gen in Tem­po-30-Zonen ermöglichen. Sie wer­den vor allem in Städten immer häu­figer ein­gerichtet.»

Allerd­ings sind Velostrassen – anders als deren Beze­ich­nung ver­muten lässt – nicht auss­chliesslich für Rad­fahrerin­nen und Rad­fahrer reserviert. Neben ihnen teilen sich auch alle anderen Verkehrsteil­nehmenden den Platz – selb­st Park­plätze müssen nicht weichen, wenn eine Velostrasse ein­gerichtet wird.

Der Haup­tun­ter­schied zur nor­malen Strasse: Der Rechtsvor­tritt an Ein­mün­dun­gen ist kon­se­quent aufge­hoben. «Rad­fahren­den ste­ht so eine sichere und unter­bruchs­freie Verbindung zur Ver­fü­gung», sagt Rytz. Der Vor­trittsentzug wird an Ein­mün­dun­gen mit­tels Sig­nal und Haifis­chzäh­nen angezeigt; die Velostrasse wird durch grosse Velopik­togramme verdeut­licht.

Sperrzone Schulstrasse

Während die Velostrasse auf einem nieder­ländis­chen Verkehrskonzept grün­det, hat die Schul­strasse ihren Ursprung in Ital­ien. 1989 ent­stand die erste Schul­strasse in Bozen. VCS-Schul­weg­ex­per­tin Alice Gen­tile erk­lärt: «Schul­strassen wer­den in Quartieren mit Schul­häusern ein­gerichtet. Die Schul­strasse ist grund­sät­zlich befahrbar, wird aber mor­gens, mit­tags und nach­mit­tags für den Autoverkehr ges­per­rt.» Also dann, wenn Schü­lerin­nen und Schüler ein­tr­e­f­fen oder nach Hause gehen. Das tem­poräre Fahrver­bot kann auf ein­er Sig­nal­i­sa­tion angezeigt oder durch einen versenkbaren Poller verdeut­licht wer­den.

Viele Verkehrskonzepte, welche wir in der Schweiz ken­nen, wur­den meist bere­its länger zuvor im Aus­land instal­liert.

Gen­tile ist überzeugt vom Konzept der Schul­strasse: «Sie bietet ein sehr hohes Sicher­heit­sniveau in unmit­tel­bar­er Nähe der Schule, wo sich die meis­ten Kinder aufhal­ten. Das ist auch ein Plus­punkt für besorgte Eltern.» Für die Schü­lerin­nen und Schüler wird es mit der Schul­strasse noch attrak­tiv­er, ihren Weg zur Schule zu Fuss oder mit dem Velo zurück­zule­gen. Ausser­dem hat sich bestätigt, dass die Sper­rung zu den neu­ral­gis­chen Zeit­punk­ten einen pos­i­tiv­en Neben­ef­fekt hat: «Es gibt weniger Eltern­taxis und damit weniger gefährliche Manöver und unüber­sichtliche Sit­u­a­tio­nen.» Auf­grund der besseren Verkehrssicher­heit und weil die tägliche Sper­rung der Schul­strasse bloss während kurz­er Zeit gilt, sei überdies die Akzep­tanz des Konzepts bemerkenswert gross.

Nachahmen erwünscht

Viele Verkehrskonzepte, welche wir in der Schweiz ken­nen, wur­den meist bere­its länger zuvor im Aus­land instal­liert. Pio­niere für die bekan­ntesten Beispiele waren Deutsch­land, Bel­gien und die Nieder­lande. Abkupfern ist also aus­drück­lich erlaubt. Auch in Bere­ichen, welche nicht vor allem dem Aspekt der Verkehrssicher­heit dienen.

Eine inter­es­sante Idee wären etwa die Umwelt­zo­nen, welche Stock­holm seit 1996 ken­nt. In Umwelt­zo­nen sind Fahrzeuge mit hohem Schad­stof­fausstoss (z.B. Stick­ox­ide oder Fein­staub) nur beschränkt erlaubt oder ganz ver­boten. Die Idee wurde von Berlin, Han­nover und Köln über­nom­men – auch Milano und Bologna führten die Sper­rzone für Dreckschleud­ern früh ein.

In der Schweiz sind Umwelt­zo­nen der­weil nur punk­tuell ein The­ma: Genf hat 2020 eine Ein­schränkung einge­führt, gemäss der das Zen­trum nur noch mit ein­er speziellen Umwelt­plakette – dem «Stick’AIR» – befahren wer­den darf, sobald die Luftver­schmutzung einen bes­timmten Schwellen­wert über­schre­it­et. Eine per­ma­nent gültige Umwelt­zone ist zurzeit in Basel im Gespräch. Das Pro­jekt ist allerd­ings bis­lang nicht spruchreif – dem Vernehmen nach wartet man auf das Okay aus Bern.

Umwelt­zo­nen haben freilich den Nachteil, dass sie nur begren­zt und sehr lokal Wirkung ent­fal­ten, dort aber die Luftqual­ität merk­lich verbessern. Ungle­ich wichtiger ist indes der indi­rek­te Effekt, wenn statt eines neuen SUV emis­sion­särmere Fahrzeuge oder Elek­troau­tos gekauft wer­den – oder im Ide­al­fall gle­ich auf den öffentlichen Verkehr oder das Velo umgestiegen wird.

Andreas Käser­mann

Skandal: ASTRA rechnet mit Gammelzahlen

Skandal: ASTRA rechnet mit Gammelzahlen

Skandal: ASTRA rechnet mit Gammelzahlen

Blog­beitrag auf der Kam­pag­nen-Web­site «NEIN zum mass­losen Auto­bahn-Aus­bau» – geschrieben für Selim Egloff, Pro­jek­tleit­er Verkehrspoli­tik

Beim Bund wird offen­bar gerne mit jenen Zahlen gerech­net, die ger­ade ins aktuelle Nar­ra­tiv passen. Das zeigte sich neulich bei der AHV. Doch auch im Bun­de­samt für Strassen ASTRA ver­wen­det man wissentlich Zahlen, die nicht aktuell sind. Diese hat das Bun­de­samt in die Botschaft zum Auto­bahn-Aus­bau geschrieben und gedenkt nun damit auch in den Abstim­mungskampf zu ziehen.

Der Fall wurde von der NZZ am Son­ntag aufgedeckt. Konkret geht es um den allfäl­li­gen Auto­bahn-Aus­bau – der soll ja nicht nur kosten, son­dern unter dem Strich auch Vorteile brin­gen. «Je mehr Nutzen, umso bess­er», haben sich wohl die Astra-Leute gedacht. Sie haben darum die heuti­gen Staus­tun­den in Franken umgerech­net und sich dabei Zahlen bedi­ent, welche über­holt sind.

Die Werte – sie stam­men aus dem Jahr 2009 und wur­den sein­erzeit vom Strassen­bauer-Ver­band VSS veröf­fentlicht – ergeben einen volk­swirtschaftlichen Nutzen von 184 Mil­lio­nen Franken, wenn die Auto­bah­nen aus­ge­baut wür­den. Dies vor allem, weil die Zahl der Staus­tun­den sinke.

Jedoch ist der Fachver­band VSS mit­tler­weile zur Räson gekom­men und rech­net mit anderen, bre­it­er abgestützten Werten. Auf­grund der­er resul­tiert immer noch ein Nutzen – dieser fällt aber voraus­sichtlich um 41 % tiefer aus als mit der alten Rechen­norm. Das wären dann nur noch 65 Mil­lio­nen Franken.

Das wisse man beim ASTRA wohl, räumt dessen Medi­en­stelle ein. Die über­ar­beit­eten Zahlen seien jedoch noch nicht kon­so­li­diert und gäl­ten voraus­sichtlich erst in eini­gen Monat­en. Darum wäre es «unser­iös», die neuen, vom VSS kor­rigierten Zahlen zu ver­wen­den.

Das ASTRA will auch im Abstim­mungskampf mit mut­masslich falschen, sich­er aber ver­al­teten Zahlen argu­men­tieren. Lauterkeit geht anders.

Allerd­ings: Die neuen Zahlen wer­den ausser­halb der Bun­desver­wal­tung längst angewen­det. So hat das Beratung­sun­ternehmen Ecoplan im Auf­trag des Kan­tons Schwyz bere­its vor einem Jahr eine Unter­suchung zur Umfahrung in Küss­nacht durchge­führt. Dabei wur­den sowohl die aktuell gültige Norm als auch der neue Ansatz in die Bew­er­tung ein­be­zo­gen; bei let­zterem zeigte sich, dass die Staukosten deut­lich geringer aus­fie­len.

Unschön an der Geschichte: Das Bun­de­samt für Strassen erwäh­nt die neuen Rechen­nor­men und deren Auswirkun­gen in der Botschaft mit kein­er Silbe. Nicht ein­mal eine Fuss­note war die neue Zahlen­ba­sis wert. Das Par­la­ment kon­nte in der Güter­ab­wä­gung also nicht wis­sen, dass das ASTRA wom­öglich etwas gar dick aufträgt. Schlim­mer noch: In der Folge wird auch im Abstim­mungskampf mit mut­masslich falschen, sich­er aber ver­al­teten Zahlen argu­men­tiert. Lauterkeit geht anders.

Damit wer­den die Stim­menden ver­schaukelt. Es darf nie­man­den wun­dern, wenn das Ver­trauen in den Staat und dessen Ver­wal­tungsstellen schwindet. Die Auswirkun­gen von Strassen­baupro­jek­ten sind hochkom­plex; da ist es prob­lema­tisch, Zahlen zu präsen­tieren, von denen man weiss, dass sie keinen Bestand haben wer­den. Zudem drängt sich die Frage auf, warum mehr als 5 Mil­liar­den Franken für einen Auto­bah­naus­bau aus­gegeben wer­den sollen, der bei weit­em nicht ein­löst, was die Botschaft des Bun­des ver­spricht.

Der Beitrag wurde für Selim Egloff ver­fasst und erschien auf autobahnausbau-nein.ch.