Wenn’s wieder kreucht und fleucht
Jetzt zieht es Hobbygärtnerinnen und ‑gärtner wieder nach draussen. Landauf, landab will die Umgebung wieder aus dem Winterschlaf erweckt und in Schuss gehalten werden. Wie aber wird des Gartenliebhabers Paradies auch zu einem Eldorado für allerlei Vögel, Insekten und Nützlinge? Casanostra hat bei Experten nachgefragt.
Wer über einen Garten verfügt, kann die ersten warmen Tage kaum erwarten. Die Biogärtnereien, Gartencenter und die einschlägigen Abteilungen der Grossverteiler haben in diesen Tagen Hochkonjunktur. Gärtnern beginnt nämlich im Kopf – nicht mit dem Tritt auf den Spaten: «Ein gutes Gartenjahr startet mit dem festen Vorsatz, nicht bloss enthusiastisch anzufangen und dann den Garten wegen Arbeitsüberlastung, Ferien oder anderem sich selber zu überlassen, sondern das ganze Jahr dran zu bleiben», mahnt Gartengestalter Fredi Zollinger. Ausserdem sei im ab und an noch kalten April durchaus Geduld gefragt: «Auch wenn man vor Vorfreude und Ungeduld fast platzt: es lohnt sich, mit der Bodenbearbeitung zuzuwarten, bis der Boden nicht mehr schmierig und etwas aufgewärmt ist.»
Ein gutes Gartenjahr startet mit dem festen Vorsatz, nicht bloss enthusiastisch anzufangen, sondern das ganze Jahr dran zu bleiben.
So ganz ist der Winter ja auch noch nicht überstanden. Die Eisheiligen folgen noch. Darum ist es dieser Tage noch zu früh für kälteempfindliche Pflanzen, rät Ralph Schwarz von der Firma Andermatt Biogarten in Grossdietwil: «Die Tomaten werden zwar schon überall zum Verkauf angeboten, jedoch sollten diese nicht vor Mitte Mai nach draussen gepflanzt werden.» Auch Gurken und Peperoni überstehen Nachtfröste schlecht. «Rüebli, Erbsen und Zwiebeln können aber bedenkenlos bereits ab Mitte März ausgesät werden», fügt Fredi Zollinger hinzu. Und weiter: «Auch Salate, Fenchel und Kohlgewächse können schon früh gesetzt werden, wenn sie mit einem Vlies gedeckt werden.»
Wenn bloss die Schneckenplage nicht wäre
Die Gartenlust kann freilich dem Gartenfrust weichen, wenn die Schnecken im Garten einfallen wie weiland die Hunnen im Reich der Ostgoten. Der Griff zu den Schneckenkörnern ist dann nicht die beste Lösung. Fredi Zollinger empfiehlt den Schneckenzaun aus Blech: «Das funktioniert allerdings nur, wenn es nirgends einen Durchschlupf oder natürliche Brücken durch Gräser oder Zweige gibt.» Und selbst dann schleppe man – etwa mit dem Kompost – manchmal Schnecken ein, welche wieder eingesammelt werden müssen.
Eine effektive Massnahme gegen Schädlinge im Garten ist auch eine reiche Artenvielfalt. Stimme der Lebensraum, seien die Schädlinge weniger problematisch, weil auch die Zahl der Nützlinge steige, sagt Ralph Schwarz: «Je mehr Spitzmäuse, Igel und Vögel im Garten wohnen, desto weniger Engerlinge habe ich.» Gartengestalter Zollinger ergänzt: «Was es braucht, ist eine möglichst grosse Vielfalt an einheimischen Pflanzen und Lebensräumen. Nur so entsteht ein Gleichgewicht, in dem die Gefahr von massenhaftem Auftreten von Schädlingen und Krankheiten reduziert werden kann.»
Eine grosse Artenvielfalt reguliert vieles selber. Man könne aber durchaus auch nachhelfen: «Nützlinge lassen sich auch aussetzen», sagt der Gartenexperte Ralph Schwarz: «Der einheimische Zweipunkt-Marienkäfer beispielsweise hilft gegen Blattläuse.» Ab und an können aber auch Nützlinge zu Schädlingen mutieren. Der Ohrwurm etwa ist im Obstbau beliebt, weil er nächtens bis zu 120 Blutläuse verputzt. Geht ihm jedoch die Beute aus, macht er sich über Blüten und überreifes Obst her.
Auch Artenvielfalt bedingt Pflege
Dann und wann wird der natürliche Garten mit einem wuchernden und wilden Garten gleichgesetzt. Das sei aber falsch: «Verwildern lassen ist noch nicht Biodiversität», meint Fredi Zollinger. «Dass ein naturnaher Garten einfach sich selber überlassen werden kann, ist ein grosser Irrtum. Oder zeugt von der falschen Hoffnung, sich mit einem verwilderten Gariten als Förderer der Biodiversität brüsten zu können.» Auch ein Naturgarten bedinge Pflege, ergänzt der Experte von Andermatt Biogarten, Ralph Schwarz: «Viele Sträucher müssen für ein optimales Wachstum geschnitten werden.» Daneben brauche es geeignete Lebensräume: etwa Steinhaufen mit Hohlräumen für Amphibien oder trockene Unterschlüpfe für Igel.
Den Garten einfach verwildern zu lassen, ist noch nicht Biodiversität.
Auch beim Thema Jäten gebe es Missverständnisse, sagen die Fachleute. Jäten sei durchaus empfehlenswert, wenn die Jagd nach jedem ungeplanten Kräutlein nicht übertrieben werde. «Durch Jäten schafft man Lebensraum, weil man die Diversität der Pflanzen erhöht und ihnen Platz schafft», sagt Ralph Schwarz. Allerdings: «Wenn man es übertreibt und gar keinen natürlichen Pflanzenwuchs zulässt, schadet man dem Lebensraum.»
Ähnlich sieht es aus beim wöchentlich gemähten Rasen, welchen viele schätzen. Dieser sei nicht in jedem Fall ein Biodiversitätskiller – wenigstens nicht, solange der Garten nicht nur aus Rasen und Thujahecke bestehe. Fredi Zollinger: «Wenn auf den Einsatz von Herbiziden und synthetischen Düngern verzichtet wird, kann die Spiel- oder Liegewiese durchaus ihre Berechtigung haben. Es besteht ja auch die Möglichkeit, auf kaum genutzten Randbereichen oder mit ‹Blumeninseln› dem Wunsch nach der für die Artenvielfalt tatsächlich viel wertvolleren Naturwiese Rechnung zu tragen.»
Diesem Ansatz pflichtet Ralph Schwarz bei: «Das schliesst sich nicht aus und macht einen Garten doch erst spannend: Auf dem Liegestuhl liegen, den Schmetterlingen zusehen und dabei gesunde Beeren aus dem eigenen Garten essen – das ist doch traumhaft.»
Andreas Käsermann