Der Wohnungsmarkt in der Schweiz ist ein harter. Noch viel mehr als Mieterinnen und Mieter mit Schweizer- oder EU-Pass spüren dies vorläufig aufgenommene Flüchtlinge. Für sie mündet die Wohnungssuche mitunter im Spiessrutenlauf.
Sie kommen aus Kriegs- und Krisenregionen. Sie stammen aus Syrien, Irak, Afghanistan, Eritrea, Libyen – und so gut wie alle wären sie lieber zu Hause geblieben. Der Krieg, die Verfolgung, die Unsicherheit um Leib, Leben und Familie hat sie fortgetrieben. Trotz grösster Gefahren auf der Reise, trotz ungewissem Schicksal, trotz Tausenden von Kilometern fahren sie – fast immer unter menschenunwürdigen Umständen – nach Mitteleuropa. In Länder, die sie oft höchstens vom Hörensagen kennen. Auch in die Schweiz. Hier angekommen, haben sie zwar den Krieg hinter sich gelassen; es stellen sich aber neue Probleme.
Irgendwie zu Hause – und irgendwie doch nicht
Der Tag kommt, an welchem entschieden ist, wer bleiben darf. Unweigerlich. Auf Anerkannte Flüchtlinge wartet dann die Wohnungssuche. Und die ist beileibe nicht immer einfach: «Einige Immobilienverwaltungen wollen keine Wohnungen an Flüchtlinge vermieten und deklarieren das offiziell», sagt Monica Rosenberg von der Caritas Schweiz. Sie organisiert die dauerhafte Unterbringung von Flüchtlingen im Kanton Freiburg und kennt deren Sorgen aus dem Effeff. Der Kanton habe vereinzelt Hausverwaltungen verpflichtet, eine gewisse Anzahl von erschwinglichen Wohnungen in den gefragtesten Kategorien anzubieten. «Das ist eine gute Praxis, die von anderen Verwaltungen auf freiwilliger Basis vermehrt angewendet werden sollte.»
Der grösste Anteil der Flüchtlinge sei alleinstehend, sagt Rosenberg. Es fehlten darum ganz besonders Studios und kleine Wohnungen. «Am meisten mangelt es an Wohnungen im mittleren Preissegment, welche den kantonalen Sozialnormen entsprechen.» Die Erfahrung zeige, dass, je urbaner eine Region, umso rascher eine geeignete Wohnung für Flüchtlinge gefunden werden könne. Besonders in Wohnblocks, wo der Wohnraum in aller Regel besser erschwinglich sei. Ausserdem sei die städtische Infrastruktur von Vorteil: «Wenn Wohnungen allzu abgelegen liegen und kaum mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind, kommen sie nicht infrage für Flüchtlinge.»
Gelungene private Initiativen …
Neben der organisierten, staatlichen Wohnungssuche für Flüchtlinge gibt es zahlreiche private Initiativen, die ebenfalls gut funktionieren. Denn am Willen zu helfen, mangelt es nicht. So hat etwa casanostra-Leser Werner Bachmann nach seiner Pensionierung neue Betätigungsfelder gesucht. Er fand eines bei einem jungen Afghanen, dem er Sprach-Sparringpartner war: «Aus den anfänglichen wöchentlichen zwei Stunden Deutsch-Treff wurde mit der Zeit eine langjährige Beziehung, in der ich den jungen Mann durch viele schwierige Stationen und Situationen begleitete und unterstützte.»
Schwierig war die Wohnungssuche jedoch auch in diesem Fall: «Wir schauten unzählige Wohnungen an, schrieben unzählige Bewerbungen und wurden zuletzt von einer Verwaltung berücksichtigt.» Allerdings bestand die Verwaltung darauf, dass Werner Bachmann den Mietvertrag ebenfalls unterschrieb und als Bürge fungierte, der nötigenfalls den Mietzins zu bezahlen hätte.
Einige Immobilienverwaltungen wollen keine Wohnungen an Flüchtlinge vermieten und deklarieren das offiziell.
Auch andere Leserinnen und Leser berichten von positiven Erfahrungen. Etwa Yvonne Christen aus dem Berner Oberland, deren Studio im eigenen Einfamilienhaus leer stand. So hat sie sich kurzerhand bei der kantonalen Koordinationsstelle gemeldet. Seit anderthalb Jahren beherbergt sie nun ein junges Ehepaar aus dem kurdischen Norden Syriens. «Sie werden weiterhin bei uns wohnen. Gemeinsam teilen wir uns die Küche und das Wohnzimmer. So haben wir gemeinsamen Raum zum Austauschen, Schwatzen und Lachen.» Die Integration habe gut funktioniert – der junge Syrer kickt mittlerweile im örtlichen Fussballclub.
… und solche, die scheiterten
Casanostra-Leserin Claudia Landerer aus dem Kanton Zürich indes hat ihre Initiative, eine syrische Flüchtlingsfamilie logieren zu lassen, wieder aufgegeben. Schweren Herzens: Die renovierte, grosszügige Wohnung ist mit einer hohen Hypothek belastet. Eine Einigung mit dem zuständigen Sozialamt hinsichtlich des Mietzinses war nicht möglich, obwohl von dritter Seite eine Mitfinanzierung zugesichert war. «Es ist schon schwer zu akzeptieren, dass den Flüchtlingen in unserer reichen Schweiz so viele bürokratische Hürden in den Weg gestellt werden.» Vermietet ist die Wohnung nun an ein anderes Sozialprojekt – ein ebenfalls staatlich finanziertes.
Eine Umfrage von casanostra hat jedoch mehrheitlich weitere Beispiele ergeben, welche gut funktionieren. Das mag auch daran liegen, dass die Unterbringung der Flüchtlinge Kantonen und Gemeinden obliegt. Das würde erklären, warum es hier unbürokratisch zu und her geht, dort das Prozedere hingegen hapern kann.
Politik ist gefragt
Klar ist indes auch, ganz ohne Hilfe ist es Flüchtlingen schier unmöglich, eine Wohnung zu finden. SP-Nationalrätin Silvia Schenker befasst sich beruflich und politisch seit langem mit der Frage: «Oft leben Flüchtlinge von der Sozialhilfe, weil es ihr prekärer Status schwierig macht, eine Arbeit zu finden. Die Ansätze der Sozialhilfe für Mieten sind jedoch sehr tief, was die Suche nach einer Wohnung erschwert.»
Schwierig auch: Vorläufig Aufgenommene haben kein dauerhaftes Bleiberecht. Für Vermieter indes ist es zumeist interessanter, eine Wohnung längerfristig zu vergeben. Silvia Schenker ist darum der Ansicht, dass der Status der vorläufigen Aufnahme überarbeitet werden muss: «Die Erfahrung zeigt, dass viele vorläufig aufgenommene Personen eben doch langfristig in der Schweiz bleiben, weil eine Rückschaffung in ihr Herkunftsland nicht möglich ist.» Der Status «vorläufige Aufnahme» müsse diesem Umstand Rechnung tragen und gehöre an die Realität angepasst. «Leider gibt es keinen politischen Konsens, wie eine solche Lösung aussehen könnte. Die Arbeiten dazu sind aber im Gang.»
Ob und wie jemand Flüchtlingen Wohnraum anbietet, will überlegt sein. Sich Hals über Kopf in das Abenteuer zu stürzen, kann schief laufen. Interessant jedoch: die Integration von Flüchtlingen scheint insgesamt gut zu funktionieren, wie die kleine «casanostra»-Umfrage zeigt. Das Zusammenleben und das Miteinander mit Flüchtlingen ist nicht völlig unproblematisch; mit entsprechender gegenseitiger Bereitschaft und Verständnis jedoch stehen die Chancen gut, dass es gelingt und durchaus beflügelnd sein kann.
Andreas Käsermann