
Steigender Bedarf an altersgerechten Wohnungen
Die eigene Wohnzukunft beschäftigt viele Casafair-Mitglieder. Das Thema «Wohnen im Alter» taucht als ein Dauerbrenner häufig in den Sprechstunden des Casafair-Beratungsteams auf. Für casanostra Anlass genug, das Thema im Rahmen einer Serie und aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Zum Auftakt in dieser Ausgabe ein Blick in die Bevölkerungsstatistiken.
Der Bedarf an altersgerechtem Wohnraum wird in der Schweiz stark zunehmen. Diese Entwicklung lässt sich aus den Zahlen des Bundesamts für Statistik klar erkennen. Bis im Jahr 2025 wird jede fünfte Person über 65 Jahre alt sein, bis im Jahr 2035 gar jede vierte. Rund 800 000 Personen werden dann 80-jährig oder älter sein.
Ein Blick zurück
Beim Berechnen der demografischen Entwicklung ziehen die Statistiker/-innen den sogenannten Altersquotienten zurate. Er sagt aus, wie viele über 65-jährige Menschen in der Schweiz auf 100 Personen im Erwerbsalter (20 – 64 Jahre) leben. Diesem Altersquotienten liegt der Jugendquotient gegenüber. Dieser besagt, wie viele 0 –19-Jährige auf 100 20 – 64-Jährige in der Schweiz leben.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lag der Altersquotient stabil bei circa 10, der Jugendquotient tendierte zunächst gegen 80. Dies ergab die klassische demografische Alterspyramide. Nach einer Hausse während des Babybooms ist der Jugendquotient nunmehr seit 60 Jahren rückläufig; heute (Stand 2018) liegt er bei 32,5.
So leben SeniorInnen in der Schweiz
- 2016 lebten 96 Prozent der Seniorinnen und Senioren zu Hause – die übrigen 4 Prozent in einem Alters- und Pflegeheim oder in einer Spitaleinrichtung.
- Ein Drittel der SeniorInnen lebt allein, 56 Prozent in Paarhaushalten.
- 31 Prozent der RentnerInnen leben in einem Einfamilienhaus.
- Acht von zehn Seniorinnen und Senioren, welche zur Miete wohnen, zahlen weniger als 1500 Franken pro Monat.
- Im Durchschnitt bewohnen Pensionierte 109 m² Wohnfläche in 4 Zimmern.
Der Altersquotient nimmt hingegen seit Mitte der 1920er-Jahre ständig zu. Ende letzten Jahres lag er bei 30 – und ist damit praktisch gleichauf mit dem Jugendquotienten. Und der Trend dürfte gemäss den Prognosen des Bundesamts für Statistik BFS weitergehen – mit kantonalen Unterschieden freilich.
Gemäss den BFS-Bevölkerungsszenarien altere die Bevölkerung der städtischen Kantone im Allgemeinen weniger stark, da mehr junge Erwachsene zu- und ältere Erwachsene häufiger abwanderten. «2045 wird der Altersquotient in den Kantonen Basel-Stadt, Waadt, Freiburg und Genf knapp 45 betragen. Die ländlichen Kantone und die Tourismuskantone weisen aufgrund der Abwanderung der jungen Erwachsenen und der Zuwanderung älterer Personen eine verstärkte Alterung auf. In den Kantonen Uri, Obwalden, Tessin, Nidwalden und Graubünden wird der Altersquotient im Jahr 2045 über 60 betragen.»
Bedarf steigt in den nächsten Jahren
Angesichts eines weiter steigenden Altersquotienten wird offensichtlich: Es braucht künftig mehr geeigneten und altersgerecht gestalteten Wohnraum für die älter werdende Bevölkerung in der Schweiz. In urbanen Gebieten – aber auch anderswo. Ein Trend, der den einschlägigen Organisationen längst bewusst ist und für den sie sich einsetzen.
Doch auch die öffentliche Hand steht in der Pflicht. Das Bundesamt für Wohnungswesen plädiert für hindernisfreien Wohnraum an gut erschlossenen Lagen und in der Nähe von Einkaufsmöglichkeiten, ergänzt allerdings: «Eine der Herausforderungen besteht darin, dass es nur sehr wenig preisgünstige, kleine Wohnungen gibt, insbesondere in den Zentren. » Kommt hinzu, dass das früher noch weit verbreitete Zusammenleben von mehreren Generationen unter einem Dach heute nur noch ein Randphänomen darstellt. «Lebte 1970 fast jede fünfte Person im AHV-Alter mit ihren Nachkommen, so waren es 2000 noch 3 Prozent.»
Daraus leitet sich auch ein raumplanerischer Auftrag an die Kantone und Gemeinden ab. Sie entscheiden, wo welcher Wohnraum entsteht. Mitunter können dabei finanzpolitische Überlegungen höher gewichtet werden. Im Verdacht standen in dieser Hinsicht Kommunen im Kanton Zürich. Denn dort laufen Gemeinden mit einem hohen Anteil an altersgerechten Wohnungen Gefahr, besonders viele ältere Personen anzuziehen. Brauchen diese in einer späteren Phase Unterstützungsleistungen, fallen die Kosten in der Wohnsitzgemeinde an.
In einer Interpellation im Zürcher Kantonsrat wurde darum vor drei Jahren befürchtet, «dass die Gemeinden darauf achten könnten, dass es weniger statt mehr solcher Wohnungen gibt.» Solche Kommunen könnten damit «ein Zeichen setzen, dass ältere Menschen doch bitte das Alter in einer anderen Gemeinde verbringen sollen.»
Der Regierungsrat wusste die Befürchtung nicht vollends zu zerstreuen, antwortete jedoch: «Zu bedenken ist, dass mit Alterswohnungen nicht nur ein finanzielles Risiko verbunden ist, sondern auch, dass Mieterinnen und Mieter von Alterswohnungen oft mehrere Jahre in ihren Wohnungen leben und Steuern zahlen, bevor sie – wenn überhaupt – Pflegeleistungen mit allfälliger Restfinanzierungspflicht der Gemeinden beziehen müssen.» Deshalb könne nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass der Ausbau des Angebots an Alterswohnungen für die Gemeinden ein potenzielles «Verlustgeschäft» darstellt.
Doch sind Mietwohnungen bei den Schweizer SeniorInnen ohnehin weniger gefragt. Der Bedarf kommt erst mit fortschreitendem Alter. Fast 60 Prozent der 65 – 69-Jährigen wohnen gemäss Bundesamt für Statistik in ihrer eigenen Wohnung. Bei der jüngeren Bevölkerung beträgt dieser Anteil lediglich 39 Prozent. Bei den über 70-Jährigen nimmt der Anteil ab – vielfach, weil SeniorInnen dannzumal häufiger in altersgerechte Mietwohnungen ziehen. «Ein weiterer Grund kann sein, dass in manchen Fällen die Familienwohnung als Erbvorbezug den Kindern übertragen wird und die Eltern als Nutzniesser weiterhin darin leben», schreibt das BFS. Ein weiterer Aspekt könne die Eigentumspolitik der letzten Jahrzehnte sein, von der vor allem die heute 50- bis 60-Jährigen profitiert hätten.
Andreas Käsermann