SBB CFF FFS

Reservationspflicht fällt durch

Wer das Velo im Inter­ci­ty mit­neh­men will, muss künf­tig vor­her einen Platz reser­vie­ren – ansons­ten ist End­sta­ti­on an der Perron­kan­te. Doch die neue Pflicht­re­ser­va­ti­on wird nicht gou­tiert. Dies zei­gen die Ergeb­nis­se einer VCS-Umfra­ge.

aus VCS-Maga­zin 1/2021

VCS Schweiz

Als Aus­lö­ser für die neue Reser­va­ti­ons­pflicht beim Vel­over­lad nen­nen die SBB die Situa­ti­on im letz­ten Som­mer. «Im Spit­zen­mo­nat Juli 2020 wur­den rund 80 000 Velo-Tages­kar­ten ver­kauft, was einer Zunah­me von rund 45 Pro­zent im Ver­gleich zum Vor­jahr ent­spricht», schrei­ben die SBB auf ihrer Web­site. Auf den am stärks­ten nach­ge­frag­ten Stre­cken (Zürich−Bern und Bern−Brig) sei­en im ver­gan­ge­nen Juli rund 15 000 Fahr­rä­der im Selbst­ver­lad trans­por­tiert wor­den.

Die Bahn­be­trie­be wur­den von der gros­sen Nach­fra­ge offe sicht­lich über­rum­pelt und sties­sen an Kapa­zi­täts­gren­zen. Zum Bers­ten voll waren die den Velos zuge­wie­se­nen Plät­ze; mit­un­ter konn­ten geplan­te Fahr­ten nicht ein­mal ange­tre­ten wer­den. Das führ­te zu Unzu­frie­den­heit und hat die SBB auf den Plan geru­fen: Mit der Reser­va­ti­ons­pflicht wol­le man einer­seits eine Über­be­la­dung ver­hin­dern und ande­rer­seits das Ver­kehrs­auf­kom­men bes­ser ein­schät­zen kön­nen. Ver­kauft wird das Gan­ze als «kun­den­freund­li­che­res Ange­bot».

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Verlust der Spontanität

Dies sieht die velo­fah­ren­de Bahn­kli­en­tel frei­lich anders. Eine breit ange­leg­te Umfra­ge des VCS zeigt kla­re Vor­be­hal­te: «63 Pro­zent der Befrag­ten leh­nen die Reser­va­ti­ons­pflicht ab», sagt Lau­ra Schmid, Pro­jekt­lei­te­rin Ver­kehrs­po­li­tik beim VCS Schweiz. Dabei stün­den zwei Moti­ve im Vor­der­grund: «Der Haupt­grund ist der Ver­lust der Spon­ta­ni­tät und Fle­xi­bi­li­tät bei Velo­tou­ren. Weil Ziel und Zeit­plan einer Velo­tour oft im Vor­aus nicht bekannt sind, wird die Reser­va­ti­ons­pflicht als Ein­schrän­kung betrach­tet.»

Ein zwei­ter, häu­fig genann­ter Grund sei, dass die Reser­va­ti­ons­pflicht den Zugang zum öffe tli­chen Ver­kehr (ÖV) behin­de­re und umständ­li­cher gestal­te: «Es braucht mehr Bil­let­te. Beson­ders bei Rei­sen mit meh­re­ren Anschluss­zü­gen macht die Reser­va­ti­ons­pflicht das Bahn­fah­ren mit dem Velo kom­ple­xer.»

Die Bahn­be­trie­be wur­den von der gros­sen Nach­fra­ge offen­sicht­lich über­rum­pelt und sties­sen an Kapa­zi­täts­gren­zen. Nicht immer konn­ten geplan­te Fahr­ten ange­tre­ten wer­den.

Reservation O. K. – aber …

Rund ein Drit­tel der Befrag­ten kön­ne indes mit einer Reser­va­ti­ons­pflicht leben, sofern eini­ge Bedin­gun­gen erfüllt wer­den, erläu­tert Schmid: «Die Mass­nah­me darf höchs­tens ein­ma­lig und als vor­über­ge­hen­des Mit­tel ein­ge­setzt wer­den, um den Kapa­zi­täts­eng­päs­sen im kom­men­den Som­mer zu begeg­nen.» Die Reser­va­ti­on muss zudem unkom­pli­ziert und bis kurz vor Abfahrt sowohl online, via App als auch am Schal­ter oder am Bil­lett­au­to­ma­ten mög­lich sein. Der Velo­selbst­ver­lad darf aus­ser­dem durch die Reser­va­ti­ons­pflicht nicht teu­rer wer­den und Reser­va­tio­nen sol­len ein­fach auf­ge­ho­ben wer­den kön­nen, um den Velo platz bei Nicht­ge­brauch wie­der frei­zu­ge­ben.

Die VCS-Umfrage zum Veloselbstverlad

Die Mei­nungs­um­fra­ge des VCS zur Reser­va­ti­ons­pflicht im Velo­selbst­ver­lad lief online vom 3. bis 13. Dezem­ber 2020. Ins­ge­samt nah­men 4617 Per­so­nen aus allen Lan­des­tei­len an der Befra­gung teil, wel­che allen inter­es­sier­ten Per­so­nen offen­stand.

91 Pro­zent aller Per­so­nen, die an der Umfra­ge teil­ge­nom­men haben, nut­zen den Velo­selbst­ver­lad im öffent­li­chen Ver­kehr. 15 Pro­zent nut­zen das Ange­bot min­des­tens mehr­mals pro Monat, 5 Pro­zent für mehr als eine Fahrt pro Woche. Der Löwen­an­teil (44 Pro­zent) ver­lädt das Rad mehr­mals jähr­lich ein knap­pes Drit­tel weni­ger häu­fig. Der Velo­trans­port im Zug ist ins­be­son­de­re wäh­rend der Som­mer- und Feri­en­zeit ein äus­serst belieb­tes Bahn­an­ge­bot: Im Juli 2019 haben die SBB 46 000 Velo­ta­ges­kar­ten ver­kauft – im Aus­nah­me­som­mer letz­ten Jah­res waren es gar deren 80 000.

Fer­ner müs­se mit einem Reser­va­ti­ons­zwang auch ein frei­er Platz fürs Velo garan­tiert sein, nennt Schmid eine wei­te­re For­de­rung, wel­che aus der Umfra­ge her­vor­geht: «Dies st heu­te häu­fig nicht gege­ben, da oft zu vie­le Velos im glei­chen Zug mit­ge­führt wer­den, und zudem die Velo­plät­ze nicht sel­ten durch Gepäck und Kin­der­wa­gen zuge­stellt wer­den.» Immer­hin stel­len die SBB mit der Reser­va­ti­on eine sol­che Platz­ga­ran­tie in Aus­sicht.

Forderung nach mehr Mitsprache

Die VCS-Umfra­ge zeig­te aus­ser­dem: Velo­fah­ren­de füh­len sich nur unge­nü­gend in die Pla­nung des Bahn­be­triebs ein­be­zo­gen. «Bei der Bestel­lung von Roll­ma­te­ri­al und bei der Betriebs­ge­stal­tung wird kaum auf die Bef­nis­se der Velo­fah­ren­den Rück­sicht genom­men», resü­miert Schmid. «Gera­de Kun­den­in­for­ma­ti­ons­sys­te­me oder Beschil­de­run­gen am Bahn­hof las­sen Rad­fah­ren­de oft atlos zurück.»

Die Velo­fah­re­rin­nen und Velo­fah­rer wünsch­ten sich dar­um bes­se­res Gehör. So sei im Rah­men der Umfra­ge häu­fig die For­de­rung gestellt wor­den, Velo­fah­ren­de regel­mäs­sig zu begrüs­sen und bei Ent­schei­dun­gen früh­zei­tig ein­zu­be­zie­hen, sagt Schmid: «Es müss­te auch im Sin­ne der SBB sein, dass sich Rad­fah­ren­de am Bahn­hof gut zurecht f inden und nicht erst bei Zugs­ein­fahrt bemer­ken, wo die Ver­la­de­plät­ze bereit­ste­hen, um die­se dann in aller Eile auf­zu­su­chen.»

Der­zeit arbei­ten die SBB an der Aus­ge­stal­tung der tech­ni­schen und finan­zi­el­len Moda­li­tä­ten in der Cau­sa Reser­va­ti­ons­pflicht. Der VCS und die wei­te­ren Velo-Inter­es­sen­ver­bän­de sol­len im Früh­jahr ein­be­zo­gen wer­den. Ein durch­aus sport­li­cher Fahr­plan mit mäs­si­gem Spiel­raum: denn der Reser­va­ti­ons­zwang im Velo­selbst­ver­lad soll bereits ab 21. März 2021 gel­ten …

Andre­as Käser­mann