Reservationspflicht fällt durch
Wer das Velo im Intercity mitnehmen will, muss künftig vorher einen Platz reservieren – ansonsten ist Endstation an der Perronkante. Doch die neue Pflichtreservation wird nicht goutiert. Dies zeigen die Ergebnisse einer VCS-Umfrage.
Als Auslöser für die neue Reservationspflicht beim Veloverlad nennen die SBB die Situation im letzten Sommer. «Im Spitzenmonat Juli 2020 wurden rund 80 000 Velo-Tageskarten verkauft, was einer Zunahme von rund 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht», schreiben die SBB auf ihrer Website. Auf den am stärksten nachgefragten Strecken (Zürich−Bern und Bern−Brig) seien im vergangenen Juli rund 15 000 Fahrräder im Selbstverlad transportiert worden.
Die Bahnbetriebe wurden von der grossen Nachfrage offe sichtlich überrumpelt und stiessen an Kapazitätsgrenzen. Zum Bersten voll waren die den Velos zugewiesenen Plätze; mitunter konnten geplante Fahrten nicht einmal angetreten werden. Das führte zu Unzufriedenheit und hat die SBB auf den Plan gerufen: Mit der Reservationspflicht wolle man einerseits eine Überbeladung verhindern und andererseits das Verkehrsaufkommen besser einschätzen können. Verkauft wird das Ganze als «kundenfreundlicheres Angebot».
Verlust der Spontanität
Dies sieht die velofahrende Bahnklientel freilich anders. Eine breit angelegte Umfrage des VCS zeigt klare Vorbehalte: «63 Prozent der Befragten lehnen die Reservationspflicht ab», sagt Laura Schmid, Projektleiterin Verkehrspolitik beim VCS Schweiz. Dabei stünden zwei Motive im Vordergrund: «Der Hauptgrund ist der Verlust der Spontanität und Flexibilität bei Velotouren. Weil Ziel und Zeitplan einer Velotour oft im Voraus nicht bekannt sind, wird die Reservationspflicht als Einschränkung betrachtet.»
Ein zweiter, häufig genannter Grund sei, dass die Reservationspflicht den Zugang zum öffe tlichen Verkehr (ÖV) behindere und umständlicher gestalte: «Es braucht mehr Billette. Besonders bei Reisen mit mehreren Anschlusszügen macht die Reservationspflicht das Bahnfahren mit dem Velo komplexer.»
Die Bahnbetriebe wurden von der grossen Nachfrage offensichtlich überrumpelt und stiessen an Kapazitätsgrenzen. Nicht immer konnten geplante Fahrten angetreten werden.
Reservation O. K. – aber …
Rund ein Drittel der Befragten könne indes mit einer Reservationspflicht leben, sofern einige Bedingungen erfüllt werden, erläutert Schmid: «Die Massnahme darf höchstens einmalig und als vorübergehendes Mittel eingesetzt werden, um den Kapazitätsengpässen im kommenden Sommer zu begegnen.» Die Reservation muss zudem unkompliziert und bis kurz vor Abfahrt sowohl online, via App als auch am Schalter oder am Billettautomaten möglich sein. Der Veloselbstverlad darf ausserdem durch die Reservationspflicht nicht teurer werden und Reservationen sollen einfach aufgehoben werden können, um den Velo platz bei Nichtgebrauch wieder freizugeben.
Die VCS-Umfrage zum Veloselbstverlad
Die Meinungsumfrage des VCS zur Reservationspflicht im Veloselbstverlad lief online vom 3. bis 13. Dezember 2020. Insgesamt nahmen 4617 Personen aus allen Landesteilen an der Befragung teil, welche allen interessierten Personen offenstand.
91 Prozent aller Personen, die an der Umfrage teilgenommen haben, nutzen den Veloselbstverlad im öffentlichen Verkehr. 15 Prozent nutzen das Angebot mindestens mehrmals pro Monat, 5 Prozent für mehr als eine Fahrt pro Woche. Der Löwenanteil (44 Prozent) verlädt das Rad mehrmals jährlich ein knappes Drittel weniger häufig. Der Velotransport im Zug ist insbesondere während der Sommer- und Ferienzeit ein äusserst beliebtes Bahnangebot: Im Juli 2019 haben die SBB 46 000 Velotageskarten verkauft – im Ausnahmesommer letzten Jahres waren es gar deren 80 000.
Ferner müsse mit einem Reservationszwang auch ein freier Platz fürs Velo garantiert sein, nennt Schmid eine weitere Forderung, welche aus der Umfrage hervorgeht: «Dies st heute häufig nicht gegeben, da oft zu viele Velos im gleichen Zug mitgeführt werden, und zudem die Veloplätze nicht selten durch Gepäck und Kinderwagen zugestellt werden.» Immerhin stellen die SBB mit der Reservation eine solche Platzgarantie in Aussicht.
Forderung nach mehr Mitsprache
Die VCS-Umfrage zeigte ausserdem: Velofahrende fühlen sich nur ungenügend in die Planung des Bahnbetriebs einbezogen. «Bei der Bestellung von Rollmaterial und bei der Betriebsgestaltung wird kaum auf die Befnisse der Velofahrenden Rücksicht genommen», resümiert Schmid. «Gerade Kundeninformationssysteme oder Beschilderungen am Bahnhof lassen Radfahrende oft atlos zurück.»
Die Velofahrerinnen und Velofahrer wünschten sich darum besseres Gehör. So sei im Rahmen der Umfrage häufig die Forderung gestellt worden, Velofahrende regelmässig zu begrüssen und bei Entscheidungen frühzeitig einzubeziehen, sagt Schmid: «Es müsste auch im Sinne der SBB sein, dass sich Radfahrende am Bahnhof gut zurecht f inden und nicht erst bei Zugseinfahrt bemerken, wo die Verladeplätze bereitstehen, um diese dann in aller Eile aufzusuchen.»
Derzeit arbeiten die SBB an der Ausgestaltung der technischen und finanziellen Modalitäten in der Causa Reservationspflicht. Der VCS und die weiteren Velo-Interessenverbände sollen im Frühjahr einbezogen werden. Ein durchaus sportlicher Fahrplan mit mässigem Spielraum: denn der Reservationszwang im Veloselbstverlad soll bereits ab 21. März 2021 gelten …
Andreas Käsermann