
Öffentlichen Verkehr nicht kaputtsparen
Das Signal, welches die Stimmenden mit dem Nein zum Autobahn-Ausbau ausgesendet haben, ist klar: Sie wollen weg von einem Verkehrssystem, das sich auf das Auto konzentriert. Betrachtet man die jüngsten Diskussionen um Budgets und Finanzen, so ist diese Willensbekundung offensichtlich noch nicht in der Politik angekommen.
Ein stärkerer öffentlicher Verkehr (ÖV) und bessere Velowege müssen finanziert sein. Der Bundesrat will aber den Deckungsgrad für die ÖV-Kosten anpassen und bestimmte Strecken streichen – insbesondere in ländlichen Regionen. Die angestrebten Kürzungen bedeuteten das Aus für wichtige regionale Verbindungen. Das ist Gift für die dringend nötige Verkehrswende. Immerhin zeigte sich das Parlament in den Budgetdiskussionen im Dezember hinsichtlich der Kürzungen sehr skeptisch und schickte den Bundesrat noch einmal über die Bücher. Dennoch hat dieser nun eine Sparkeule in die Vernehmlassung geschickt, welche beim ÖV und beim Klimaschutz viele und bei den Autobahnen kaum Abstriche macht. Insbesondere der internationale Bahnverkehr müsste auf Mittel verzichten, die erst voriges Jahr vom Parlament beschlossen worden sind.
Der VCS lehnt den bundesrätlichen Sparkurs beim ÖV entschieden ab. Er ist unsinnig – besonders in einer Zeit, in der ein Ausbau für eine Verschiebung des Modalsplits hin zum ÖV nötig ist, meint Martin Winder, VCS-Bereichsleiter Verkehrspolitik und Kampagnen: Wenn es Kosteneinsparungen braucht, müssen diese vielmehr auf der Strasse und beim Nationalstrassen- und Agglomerationsfonds (NAF) realisiert werden.»
Neue Steuer für E‑Autos
Doch der Bundesrat setzt nicht nur auf Sparmassnahmen; er sucht auch nach neuen Pfründen. So will Bundesrat Albert Rösti eine neue Abgabe für Elektroautos. Diese werden derzeit einzig bei der Einfuhr besteuert – die Mineralölsteuer entfällt aber natürlich bei den Elektrischen; eine vergleichbare Abgabe wurde bislang nicht erhoben.
Unterdessen gibt es mehr und mitunter auch günstige Modelle. Der Verkehrsminister blickt darum voraus: mit der Elektrifizierung des Fahrzeugbestands sinken die Einnahmen aus der Mineralölsteuer, weil immer weniger Benzin und Diesel verkauft wird; der NAF droht auszutrocknen. Dass die Subvention via Steuergeschenke an Besitzende von Elektroautos ein Ende hat, begrüsst Winder: «Elektroautos benutzen die Infrastruktur genau gleich wie Verbrenner. Eine moderate verbrauchsabhängige Abgabe für E‑Autos ist darum sinnvoll. Sie muss aber so ausgestaltet sein, dass die Elektrifizierung des Strassenverkehrs nicht ausgebremst wird.»

Agglomerationsprogramme stärken
In Bezug auf die Agglomerationsprogramme erwartet Winder vom Bundesrat zusätzlich eine stärkere Zweckbindung der Mittel für den Ausbau des ÖV, des Veloverkehrs und der Infrastruktur für Fussgängerinnen und Fussgänger: «Die Agglomerationsprogramme sind ein wirksames Mittel, doch sind sie unterdotiert. Aktuell werden ungefähr 11 Prozent des NAF für die Agglomerationsprogramme verwendet – wir fordern 20 Prozent.»
Agglomerationsprogramme böten nämlich echte Lösungen für Mobilitätsprobleme, ergänzt Winder: «Ein gutes Beispiel ist das Tram: In den Stadtzentren ist es eine effiziente Alternative zum Auto. Der Bund beteiligt sich allerdings in der Regel nur zu 30 bis 45 Prozent an Tramprojekten. Angesichts des Potenzials von Trams müsste der Bundesanteil auf mindestens 70 Prozent erhöht werden.»

Die Politik – und insbesondere der Bundesrat – muss die Notwendigkeit grosser Investitionen in den ÖV und in die Agglomerationsprogramme endlich anerkennen. Die Schweizerinnen und Schweizer wollen keine autozentrierte Verkehrspolitik – das haben sie im November an der Urne deutlich gemacht. Nun aber angesichts enger Finanzen nur auf den Bundeshaushalt zu schielen und dabei die besseren Verkehrsträger kaputtzusparen ist keine Politik mit Weitblick.
Andreas Käsermann