Neue Wege bei der Abfalltrennung
Die Stadt Bern sucht einen neuen Weg beim Recycling und testet seit Anfang September ein neues und schweizweit einzigartiges Recycling-System mit farbigen Abfallsäcken. Die Stadt bringt damit den Sammelcontainer praktisch vor die Haustüre und trägt der 24-Stunden- Gesellschaft Rechnung.
Die Schweiz ist ein Land der Abfalltrenner: Im Jahr 2016 fielen gemäss Bundesamt für Statistik BFS hierzulande 6,1 Millionen Tonnen Siedlungsabfälle an. 52 Prozent davon wurden separat gesammelt und dem Recycling zugeführt – vor allem Altpapier, Grünabfälle und Glas.
Der Anreiz zum Abfalltrennen hat sich mit dem weit verbreiteten Gebührensack verstärkt. Wer konsequent trennt, kann Jahr für Jahr eine Menge Kehrichtsäcke und damit einen schönen Batzen sparen. Doch die Stadt Bern ist sicher, dass es noch Luft nach oben gibt.
Vor vier Jahren hat darum Entsorgung-Bern-Chef Walter Matter über eine neue Lösung nachgedacht und wurde in Schweden fündig: «Der Abfall wird wie bisher im Haushalt getrennt, dann jedoch nicht mehr zur Sammelstelle im Quartier gebracht, sondern in farbigen Säcken direkt vor der Haustüre in einen Container geworfen.» Die Idee des Farbsack-System war geboren: Einen roten Beutel für PET, einen in lila für Glas. In die gelbe Tüte gehören Kunststoffe – Alu- und Blechdosen in den grauen. Für Papier und Karton gibt es einen braunen Papiersack und der restliche Hauskehricht wird im gewohnten blauen Gebührensack entsorgt.
Probegalopp mit 2500 Haushalten
Das neuartige System werde nun erstmals in der Schweiz getestet, sagt die zuständige Berner Gemeinderätin Ursula Wyss: «Bern nimmt mit dem Farbsack-Trennsystem in der Schweiz eine Vorreiterrolle ein und setzt ein mutiges Zeichen für die Umwelt.» Für den Pilotversuch wurden Immobilien unterschiedlicher Grösse und Preisklasse ausgewählt. Bei diesen Liegenschaften können nun Sammelsäcke rund um die Uhr und an jedem Wochentag im Container direkt bei der Haustüre entsorgt werden kann. «Das entspricht einem Kundenbedürfnis», ist Walter Matter überzeugt. «Und es hilft zudem den Sammelstellen, welche ständig überlastet sind und wo wir ein starkes Verkehrsaufkommen haben.» Einerseits durch die Nutzerinnen und Nutzer, welche oft per Auto hinfahren – andererseits auch durch die Entsorgungslastwagen, welche die Container regelmässig – an Samstagen oft mehrmals – leeren.
Auch aus gesundheitlicher Sicht verspricht sich der Berner Chef-Entsorger einiges: «Die Arbeit bei der Müllabfuhr ist ein harter Knochenjob. Nach heutigem System hievt jeder einzelne Belader täglich drei bis fünf Tonnen Kehricht in den Abfuhrwagen. Nach dreissig Dienstjahren sind diese Mitarbeiter körperlich völlig verbraucht.» Solche Jobs könne und wolle man künftig nicht mehr anbieten.
Freilich ist das Recyclinggut nach dem Einsammeln im Abfuhrwagen wieder bunt gemischt. Die Wertstoffe sind zwar durchaus in farbige Säcke sortiert, diese purzeln aber zunächst wieder wild durcheinander. Während des Pilotversuchs werde die Trennung der verschiedenen Wertstoffe vorübergehend von Hand erledigt, erklärt Walter Matter. «Sollte der Pilotversuch positiv verlaufen und das Farbsack-System dereinst in der ganzen Stadt eingeführt werden, wird die Trennung der einzelnen Säcke mit einer neuen Sortiermaschine automatisch erfolgen.»
Stadt Bern leistet Schweizer Pionierarbeit
Zwar ist die Idee mit den farbigen Sammelsäcken in einer Handvoll europäischer Städte bereits erfolgreich eingeführt worden – die Erfahrungen hierzulande fehlen aber noch. Bei Entsorgung Bern sei man darum äusserst gespannt, ob der Pilotversuch auch hier vorstellungsgemäss funktioniere. Gemeinderätin Ursula Wyss ist zuversichtlich: «Der Nutzen und der erhöhte Komfort des neuen Sammelsystems überzeugen. Es dürfte die Recyclingquote in Bern weiter erhöhen und ist damit ein ökologisch sinnvoller Schritt.»
Der Berner Pilotversuch soll bis August 2019 laufen. Danach werde entschieden, ob sich das Modell bewährt und stadtweit eingeführt werden soll. Und damit vielleicht gar als Vorbild für andere Landesregionen taugt: Immerhin kämpft man auch ausserhalb der Bundesstadt mit ähnlichen Entsorgungs- und Recycling-Problemen.
Andreas Käsermann