«MusiKuss» und seine «LaengoBarden»
Die Fasnacht steht vor der Tür. Grosskampftage auch für die Schnitzelbänkler aus der Länggasse: die «LaengoBarden». Vor der «schönsten Zeit des Jahres» hat das «Länggassblatt» einen der jahrgangsältesten Schnitzelbänkler der Stadt getroffen.
Nicht ohne Stolz zeigt der Schnitzelbänkler «MusiKuss» sein Instrument: Eine Drehleier, ein Saiteninstrument, welches an eine etwas klobige Geige erinnert, ausgerüstet mit einer Klaviatur und der obligaten Kurbel. «Ich habe den Klang dieses Instruments zufälligerweise am Radio gehört. Die mittelalterliche Drehleiher klingt ähnlich wie ein Dudelsack.» Das passe perfekt zu den vorgetragenen Versen, sagt MusiKuss, der seinen richtigen Namen nicht preisgeben möchte. Eine Art Fasnachtskodex sei das – mindestens unter Schnitzelbänklern, die sich ja auch mal bissig zum Zeitgeschehen und zur Classe politique äussern.
LaengoBarden-Schnitzelbänke von 2016 und 2017
D’Länggässler si daheime gfange,
was isch dr Grund derzue?
Das frag i mi, ha’s nid verstange,
es laht mir schlicht ke Rue.
Was isch das für ne Suppe,
wo me’n us‑z’löffle het,
dass Bärn di ganz’ Länggässler-Truppe
mit POLLER i gsperrt het?
Was? No meh Poller?
De nimm i dr Roller!
Siebe minus eis git sächs
plus drü git wieder sibe –
So wird bim Jasse öppe Frächs
strichwys uf d’Tafle g’schribe.
Mir chöi das fasch nid fasse,
wiu, ou bim Sässutanz
vom Bundesrat, geit’s wie bim Jasse:
me seit däm Konkordanz!
Jitz het si ihre «Coq au vin»,
d’SVP…dr Parmelin
Was landet da z’Bärn im Erlacherhöfli
Es UFO im Börgerformat!
Für d’SP es nid kalkulierts Kataströphli
Wär ROT doch mit WYSS scho parat –
Hätt d’Stapiwahle gärn gwunne,
da chunnt es grüens Männli derhär,
äs steit ere Frou gross und fräch vor dr Sunne -
Wohär chunnt dä nume — wohär??
Är chunnt nid vom Mars — isch e Bärner Gring
ALEC-DR-GRÜEN, üse BURGERKING!!
Auftritte Fasnacht 2018
Die LaengoBarden treten anlässlich der Schnitzelbanksoirée am Donnerstag, 15. Februar 2018 in folgenden Restaurants auf:
- 20.20 Uhr, Rathaus
- 20.45 Uhr, Schwingbäse
- 22.00 Uhr, Zunft zu Webern
- 23.15 Uhr, Goldener Schlüssel
- 23.40 Uhr, Arlequin
Die Drehleiher ist das Markenzeichen der «LaengoBarden». Hinter deren Masken und mittelalterlichen Kostümen verbergen sich vier Herren reiferen Alters. «Wir sind Rentner; allesamt über 70 — der älteste bald 78jährig», erzählt MusiKuss, der im richtigen Leben tatsächlich Musikwissenschafter ist. Das sei jedoch sein Zweitberuf: «Ich arbeitete bis 62 als Kardiologe. Dann wurden mir überraschend die Praxisräume wegen anderweitigen Bedarfs gekündigt.» Er habe sich ja schon vorgestellt, nicht bis zum AHV-Alter zu arbeiten, jedoch sich so plötzlich umorientieren zu müssen sei ihm nicht ganz leichtgefallen. Im Nachhinein betrachtet, sei dies aber eine Chance gewesen: «So habe ich mich letztlich wieder an der Uni eingeschrieben und Musikwissenschaften studiert.» Als mit Abstand ältester Student freilich.
Passion Fasnacht
Zur Fasnacht sei er ebenfalls im fortgeschrittenen Alter gekommen. «Ich wurde immer wieder von einem Freund angefragt, ob ich nicht Lust hätte, dessen Guggenmusik mit der Tuba zu unterstützen. Mein Hauptproblem war jedoch: Ich besass gar keine Tuba und konnte das Instrument auch gar nicht spielen.» Dann sei der Zufall zu Hilfe gekommen. «Eine Musikgesellschaft hat im Rahmen eines Basars alte Instrumente verkauft und ich konnte zu einem guten Preis eine Tuba erstehen.» Nach ein paar Stunden Unterricht habe er sich der Gugge seines Freundes angeschlossen und später gar noch ein Sousaphon gekauft.
Doch das Gewicht dieser Bassinstrumente fährt auch dem eifrigsten Fasnächtler irgendwann in die Knochen. Wiegt doch ein Sousaphon schon mal um die 10 bis 15 kg. Mit fast 70 hat sich MusiKuss darum vor drei Jahren eine neue Betätigung während der fünften Jahreszeit ausgedacht: «Wie wäre es mit einer Schnitzelbank-Gruppe? Bern ist ja nun wirklich nicht von solchen Gruppen übersät.» Zusammen mit drei Freunden – welche wie MusiKuss in der Länggasse zu Hause sind – wurden so die LaengoBarden gegründet. Denn: Schnitzelbänkler seien ja eigentlich Barden, sagt MusiKuss.
Mit spitzen Zungen
Der Themen und Ideen gibt es viele: Auf die Schippe nimmt die Gruppe alles, was die Länggasse hergibt, was Bern bietet und gerne auch wer Bern regiert. Stapi Alec von Graffenried kriegt ebenso sein Fett weg, wie Gemeinderätin Ursle Wyss. «Hin und wieder schauen wir auch über den Tellerrand und hauen Bundesrats-Mitglieder oder Führungsköpfe wie Trump, Putin, Erdogan oder andere in die Pfanne.»
Die Sprüche entstehen im Teamwork: «Anfangs haben wir an Textsitzungen alles gemeinsam ausgeheckt. Neben den Sujets auch die Verse.» Doch das sei nicht immer effizient verlaufen. «Nun schreibt jeder seine Reime allein und stellt sie allen per Email zur Diskussion.» Jedoch: nicht in jedem Fall sei klar, welcher Vers nun ins Repertoire übernommen werden soll. «Wir liefern uns gelegentlich auch heftige Wortgefechte, weil verständlicherweise jeder seinen Vers am besten findet.» Man habe sich aber stets gefunden und sich letztlich auch immer wieder gefreut auf die entscheidenden Tage im Februar oder März.
Eine ernste Angelegenheit
Die Fasnacht ist halt doch eine ernste Sache, scheint es. Jene in Bern ist immerhin – nach Basel und Luzern freilich – die drittgrösste der Schweiz; auch wenn das hiesige Narrentreiben just in diesen Fasnachtshochburgen als traditionslos belächelt wird. Allerdings gehen Überlieferungen von Fasnachtsaktivitäten in Bern auf das 15. Jahrhundert zurück. Mit der Reformation hat indes die Obrigkeit, die sich wohl von den Narren zu arg gepiesackt fühlte, die Fasnacht kurzerhand verboten. Erst im 20. Jahrhundert gab es mehrere Anläufe, die Fasnacht wiederzubeleben – es dauerte jedoch bis 1982, als dem Verein Bärner Fasnacht die Reanimation der jahrhundertelang entschlafenen Tradition gelang.
Seit nunmehr 35 Jahren wird nun wieder gefasnachtet. Und hat die Fasnacht auch eine Ventilfunktion? MusiKuss winkt ab: «Wir wollen Leute unterhalten und dabei Spass haben. Dass dabei auch Alltagsdinge oder Politiker aller Couleur aufs Korn genommen werden, liegt in der Natur der Sache.» Eine Abrechnung sei dies aber nicht – zumindest nicht bei den LaengoBarden.
Alles bereit für die Fasnacht 2018
Das Programm steht seit Ende letzten Jahres: «In den letzten Wochen ist auswendig lernen und gemeinsam proben angesagt. Und der Grafiker malt seine Helgen. Einen Platz für einen brandaktuellen Vers halten wir allerdings immer bis Anfang Februar offen.»
Gerne hätten wir dem Schnitzelbänkler noch eine kleine Kostprobe aus dem Programm 2018 entlockt – es scheint aber, dass nichts zu machen ist. «Die Verse bleiben unter Verschluss bis Fasnachtsbeginn», heisst der finale Bescheid. Eben doch: eine ernste Sache, diese Fasnacht.
Andreas Käsermann