Mieten überprüfen – und wenn nötig: senken

30. März 2020 | casanos­tra

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Das Bun­de­samt für Woh­nungswe­sen hat Anfang März den hypothekarischen Ref­erenzzinssatz auf 1.25 % gesenkt. Casafair Schweiz ruft alle Ver­mi­eterin­nen und Ver­mi­eter auf, jet­zt die Mieten zu über­prüfen. Klar ist aber auch: Nicht in jedem Fall mün­det dies in ein­er Miet­zinssenkung. Casafair-Mietrecht­sex­per­tin Bar­bara Müh­lestein erk­lärt das Mecano.

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© Casafair Schweiz

Bar­bara Müh­lestein, weswe­gen ist der hypothekarische Ref­erenzzinssatz auf ein weit­eres Reko­rdtief gesunken?

In erster Lin­ie, weil die Hypothekarzin­sen weit­er sinken. Das Bun­de­samt für Woh­nungswe­sen lässt gemäss geset­zlichem Auf­trag vierteljährlich die Durch­schnittszin­sen der Hypothekarin­sti­tute ermit­teln und errech­net daraus einen Mit­tel­w­ert. Dieser wird nach kaufmän­nis­chen Regeln gerun­det, was let­ztlich den Ref­erenzzins aus­macht.

Allerd­ings sind die Dat­en jew­eils bere­its älteren Datums. Der Ref­erenzzins von anfangs März etwa basiert auf den Bank­dat­en vom 31. Dezem­ber let­zten Jahres.

Casafair emp­fiehlt, die Miet­zin­sen nach der neuer­lichen Senkung zu über­prüfen. Heisst das, dass nun alle Mieten sinken müssen?

Keineswegs. Eine Über­prü­fung ist ergeb­nisof­fen und kann dur­chaus ergeben, dass der bish­erige Miet­zins unverän­dert weit­er gilt. Wir sind jedoch klar der Ansicht, dass es im Rah­men eines fairen Mietver­hält­niss­es angezeigt ist, dass Ver­mi­eterin­nen und Ver­mi­eter den Miet­zins aus eigen­em Antrieb über­prüfen und im Bedarfs­fall anpassen.

Eine Über­prü­fung kann dur­chaus ergeben, dass der bish­erige Miet­zins unverän­dert weit­er gilt.

Ein geset­zlich­er Senkungsanspruch des Mieters beste­ht nicht, wenn der Ver­mi­eter keinen kos­ten­deck­enden Ertrag aus der Miet­sache erzielt oder bei Ver­tragsab­schluss ein entsprechen­der Vor­be­halt vere­in­bart wurde. Die Ertrags­berech­nung basiert auf der Net­toren­dite des Ver­mi­eters. Diese Ren­dite darf gemäss Bun­des­gericht max­i­mal ein halbes Prozent höher sein als der aktuelle Ref­erenzzinssatz.

Mass­gebend für Miet­zin­sän­derun­gen ist der bei Beginn des Mietver­hält­niss­es, bzw. der bei der let­zten Anpas­sung des Miet­zins­es gültige Ref­erenzzinssatz. Dieser ist meis­tens im Mietver­trag ver­merkt. Anson­sten gel­ten die Kosten­stände bei Ver­trag­sun­terze­ich­nung. Die Art der Finanzierung des Mieto­b­jek­tes ist für die Miet­zins­berech­nung nicht mass­gebend, der Ver­mi­eter kann also wed­er die Höhe der eige­nen Zin­skosten noch das Ver­hält­nis zwis­chen Eigenkap­i­tal und Hypotheken gel­tend machen.

© Ruben Sprich

Und was geschieht, wenn die Miete nach der Prü­fung angepasst wer­den muss?

Ergibt sich ein Senkungsanspruch, haben Ver­mi­etende die Möglichkeit, diesen mit 40 Prozent der aufge­laufe­nen Teuerung, den all­ge­meinen Kosten­steigerun­gen und den Kosten für wertver­mehrende Investi­tio­nen oder Über­hol­un­gen, die seit der let­zten Miet­zin­san­pas­sung vorgenom­men wur­den, aufzurech­nen.

Die Teuerung fällt dabei in den let­zten Jahren kaum ins Gewicht, die Kosten­steigerung und die Investi­tio­nen müssen jew­eils im Einzelfall abgek­lärt wer­den. Dabei hil­ft auch das Casafair-Beratung­steam.

Ein verän­dert­er Miet­zins gilt nicht unmit­tel­bar und schon gar nicht rück­wirk­end, son­dern tritt auf den näch­sten Kündi­gung­ster­min in Kraft – bei Woh­nun­gen meist also drei Monate nach Bekan­nt­gabe des neuen Miet­zins­es.

Was geschieht, wenn ein Ver­mi­eter den Miet­zins nicht aus eigen­em Antrieb über­prüft?

Der Mieter oder die Mieterin kann den oder die Ver­mi­eter eben­falls bit­ten, den Miet­zins zu über­prüfen und gegebe­nen­falls anzu­passen. Das Gesetz definiert nicht klar, welche Partei aktiv wer­den muss. Die Möglichkeit dazu haben bei­de.

Ich rate in gegen­seit­igem Inter­esse zu einem sportlichen Umgang: wed­er ist ein Mieter, der um Zinssenkung nach­sucht, ein unver­schämter Prof­i­teur — noch ist ein Ver­mi­eter, der die selb­ständi­ge Über­prü­fung ver­säumt, ein böswilliger Logis­ge­ber.

Wer­den sich die bei­den Parteien nicht einig, so kann die Schlich­tungs­be­hörde kosten­los angerufen wer­den. Da und dort machen wir aber die Erfahrung, dass diese mitunter mit ein­deuti­gen Fällen kün­stlich beschäftigt wird. Das ist sich­er nicht sin­nvoll und kostet Geld, welch­es aus der Steuerkasse bezahlt wer­den muss.

Ken­nen Sie Fall­beispiele?

Ja. Wir haben Ken­nt­nis von Immo­bilien­ver­wal­tun­gen, welche Senkungs­begehren ihrer Mietenden sys­tem­a­tisch ablehnen – auch dur­chaus berechtigte. Zinssenkun­gen geben sie erst dann weit­er, wenn Mietende die Schlich­tungsstelle anrufen. Das ist an der Gren­ze des Miss­brauchs.

Ein Casafair-Mit­glied hat sich diese Tage an die Beratung gewen­det. Sie ver­mi­etet ihre Woh­nung zu einem Fre­und­schaft­spreis und fürchtet nun einen Senkungsanspruch. Ein sel­tener Härte­fall?

Das kommt in der Tat ab und an vor. Ich empfehle stets, bere­its im Mietver­trag einen Miet­zinsvor­be­halt festzuhal­ten, falls ein ungenü­gen­der Ertrag, eine nicht kos­ten­deck­ende Brut­toren­dite oder ein nach­weis­lich unter der Orts- und Quartierüblichkeit liegen­der Miet­zins vere­in­bart wird. Dieser Vor­be­halt muss in Franken oder Prozent fest­gelegt wer­den. Unter diesen Umstän­den lassen sich eventuelle kün­ftige Senkungs­begehren ein­fach­er ablehnen.

Die anhal­tend tiefen Zin­sen ver­lock­en, sich über­mäs­sig zu ver­schulden. Das ist nicht unge­fährlich.

Meist sind sich aber Mieterin­nen und Mieter dur­chaus bewusst, wenn sie von ein­er Vorzugsmi­ete prof­i­tieren und ver­lan­gen nicht bei jed­er Gele­gen­heit eine Senkung des Miet­zins­es.

Prog­nosen sind bes­timmt schwierig – was aber glauben Sie, passiert mit den Hypothekarzin­sen?

Seit der hypothekarische Ref­erenzzinssatz vor zwölf Jahren als Massstab einge­führt wurde, ken­nt er nur eine Rich­tung. Damals lag er bei 3.5%. 2010 hat er 3 Prozent unter­schrit­ten und vor fünf Jahren 2 Prozent. In all der Zeit beteuerten Finanz­fach­leute immer wieder, dass es tiefer kaum noch gehe. Und doch liegen wir nun bei 1.25 %. Eine Prog­nose wage ich nicht. Aber die anhal­tend tiefen Zin­sen ver­lock­en, sich über­mäs­sig zu ver­schulden. Das ist nicht unge­fährlich.

Andreas Käser­mann

Der hypothekarische Referenzzinssatz

Für die Miet­zins­gestal­tung wird in der ganzen Schweiz seit 2008 auf den ein­heitlichen hypothekarischen Ref­erenzzinssatz abgestellt, welch­er vom Bun­de­samt für Woh­nungswe­sen vierteljährlich veröf­fentlicht wird. Er erset­zte den früher mass­geben­den kan­tonalen Zinssatz für vari­able Hypotheken.

Die Berech­nung basiert auf ein­er von der Schweiz­erischen Nation­al­bank im Auf­trag des Bun­des durchge­führten quar­tal­sweisen Erhe­bung. Ein­be­zo­gen wer­den Banken, deren inländis­che Hypothekar­forderun­gen den Gesamt­be­trag von 300 Mil­lio­nen Franken über­steigen.

Die let­zte Anpas­sung des hypothekarischen Ref­eren­zinssatzes (von 1.75 auf 1.5 %) datiert auf 1. Juni 2017 – am 2. März 2020 sank der Ref­erenzzinssatz weit­er auf 1.25 %.