Ist die Gemeinschaftswaschküche ein Auslaufmodell?
Einst war sie der absolute Normalfall: die Gemeinschaftswaschküche, welche in einem Mehrparteienhaus von allen genutzt wurde. In der 24-Stunden-Gesellschaft passt sie jedoch mitunter nicht mehr so recht zu den steigenden Komfortansprüchen und verschwindet mehr und mehr. Dabei hat die gemeinschaftlich genutzte Waschküche viele Vorteile.
Die gemeinsame Waschküchennutzung ist eine delikate Angelegenheit. Gelegentlich «vergisst» der Student von der Dachwohnung seine Wäsche und lässt diese so lange hängen, bis sie mehr Staub als Frische aufweist; mal beschwert sich die alleinstehende Frau Bieri aus dem dritten Stock über die vierköpfige Familie im Parterre, welche viel zu häufig wasche, und ab und an beklagt sich Hauswart Moser via handgeschriebenes Plakat über die «Sauerei», welche zurückgelassen werde. Die Gemeinschaftswaschküche im Keller ist nicht selten der Grund für Feuer unterm Dach. Die Lösung ist der Waschturm oder der «eigene Waschraum mit Waschmaschine und Tumbler», der immer häufiger in Immobilienausschreibungen anzutreffen ist.
Eine Entwicklung, welche auch die Immobilienfachleute im Casafair-Beratungsnetzwerk beobachten. «Die Nachfrage ist da und gerade bei Vermietungen im gehobenen Preissegment ist der eigene Waschturm ein Vermarktungsargument», weiss Barbara Mühlestein, Immobilienexpertin im Casafair-Dienstleistungszentrum Bern. Dies bestätigt Casafair-Zentralvorstandsmitglied Michel Wyss: «Meiner Meinung nach wird meist nach Zielgruppen unterschieden: je günstiger der Wohnraum, umso eher wird eine Gemeinschaftswaschküche vorhanden sein – steigt der Preis, wird ein Waschturm gefordert.» Weiter ist auch der verfügbar Raum massgebend, sagt Immobilienfachfrau Karin Weissenberger, Co-Präsidentin Casafair Zürich: «Gerade in kleineren Wohnungen ist oft die Platzfrage entscheidend. Und deshalb wird die allgemeine Waschküche nach wie vor häufig genutzt.»
Genossenschaft Kalkbreite, Volker Schopp
Gemeinsam nutzen funktioniert
Anderswo geht die geteilte Nutzung von Infrastrukturen und Räumen noch weit über die Waschküche hinaus. Ein Beispiel wird in der Zürcher Genossenschaft Kalkbreite gelebt.
Gemeinsam genutzt wird etwa ein Gefrierraum, wo alle BewohnerInnen über ein persönliches Tiefkühlfach verfügen, sagt die Kommunikationsverantwortliche Aline Diggelmann: «Sie haben zudem die Möglichkeit, Büroplätze in Gemeinschaftsbüros zu mieten oder Gästezimmer in der hausinternen Pension zu buchen. Des Weiteren stehen den BewohnerInnen eine Werkstatt, eine Sauna und ein Musikraum zur gemeinschaftlichen Nutzung zur Verfügung.»
Raum teilen und in der Gemeinschaft nutzen ist Programm in der Kalkbreite. Aline Diggelmann sieht dabei zwei Hauptvorteile: «Zum einen fördern gemeinschaftlich genutzte Infrastrukturen und Räume die Gemeinschaft und den sozialen Kontakt. Zum anderen bedeutet Teilen auch Nachhaltigkeit und Suffizienz.»
Des Wäscheturms Vorteile …
Der individuelle Waschturm in der eigenen Wohnung ist aber nicht einfach zu verteufeln. Thomas Hardegger sieht neben den Marktargumenten weitere Vorzüge: «Der Vorteil von Waschtürmen in der Wohnung sind klare Verantwortlichkeiten bei Störungen und Reparaturen. Bei einer Plan-Lebensdauer von 10 bis 15 Jahren kann auch eine anteilsmässige Beteiligung bei vorzeitigem Ersatz eingefordert werden.» Beim Waschraum, der von allen genutzt werde, sei der Verursacher eines Schadens oft nicht festzustellen. «Zudem fällt auch der Streit um die Waschküche bei persönlichen Waschgelegenheiten weg», sagt Hardegger. Für Vermietende bedeutet dies weniger Umtriebe.
Als weiteren Pluspunkt der Waschtürme nennt Barbara Mühlestein die einfachere Verbrauchsabrechnung: «Teure Zahlsysteme oder individuelle Abrechnungen entfallen, weil die Maschinen direkt am persönlichen Strom- und Wasseranschluss laufen.»
… und dessen Makel
So verlockend also der persönliche Waschturm in der Wohnung oder in einem Nebenraum sein mag; so gut wie er zu den Komfortansprüchen der individualisierten 24-Stunden-Gesellschaft passt – mindestens ebenso so schwer wiegen dessen Nachteile: Die privaten Maschinen stehen viel häufiger leer als gemeinschaftlich genutzte. Sie benötigen allenfalls zusätzliche Installationen und nehmen insgesamt mehr Raum ein, gibt Thomas Hardegger zu bedenken: «Bezieht man den Platz, welcher von Waschtürmen zugestellt wird, mit ein und ebenso die graue Energie, welche bei mehr Geräten von deren Produktion bis zur Entsorgung anfällt, dann ist die Waschküche wesentlich ökologischer.»
Aber auch die Balance der Raumfeuchtigkeit ist in einer grösseren Waschküche viel einfacher zu halten als in den teilweise engen Verhältnissen in der Wohnung. «Das wird oft unterschätzt und kann Schimmel verursachen», sagt Barbara Mühlestein.
Gemeinschaftswaschküchen richtig ausrüsten
Da und dort werden Gemeinschaftswaschküchen allerdings auch mit überdimensionierten Geräten ausgestattet. Die Menge je Waschgang ist gegenüber früher gesunken und insbesondere Maschinen mit grosser Füllkapazität über 7 kg werden oft nicht mehr voll beladen. Die Teilbeladungserkennung hilft zwar Strom und Wasser sparen; die Praxis zeigt aber: Eine halbe Beladung spart deutlich weniger als 50 Prozent.
Auch sollten Gemeinschaftswaschküchen zweckmässig eingerichtet und einladend gestaltet sein. Genügend Platz bietet die Möglichkeit, Wäsche aufzuhängen. Das entspricht trotz Trend zum Trockner noch immer einem Bedürfnis, das sich erst noch energie- und kostensparend auswirkt – allenfalls lässt sich die Trocknungszeit mit einem sparsamen Raumluft-Wäschetrockner verkürzen. Damit kann auch dem Wäschetrocknen in der Wohnung und möglichen Feuchteschäden vorgebeugt werden.
Nicht schaden kann eine kurze Instruktion aller Parteien – die korrekte Handhabe kann die Lebensdauer der Geräte verlängern. Ein Waschkalender kann in grösseren Liegenschaften hilfreich sein; Karin Weissenberger ist jedoch zurückhaltend: «Man muss MieterInnen keine starren Regeln vorgeben. Das ist Bevormundung.» In den von ihr verwalteten Liegenschaften setzt sie auf freie Waschzeiten. Mieterinnen und Mieter wüssten sich meistens sehr gut zu arrangieren. «Wenn man dann noch mitgibt: ich mache keine Regeln, ihr könnt das selbst, dann funktioniert das meist recht gut.»
Andreas Käsermann