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Hart umkämpfte CO₂-Ziele

Wenn es schon ein Auto sein muss, dann aber wenig­stens ein elek­trisches. Klingt nach Chan­cen für den Markt – doch die Auto­branche schlägt Alarm, weil zu wenig Elek­troau­tos verkauft wür­den. In Wirk­lichkeit ist das Wehk­la­gen aber eher Teil ein­er Lob­by-Kam­pagne gegen stren­gere CO₂-Ziele.

aus VCS-Mag­a­zin 2/2025

VCS Schweiz

Auto-schweiz – der Ver­band der Autoim­por­teure – hat ein Lieblingswort: «Über­reg­ulierung». Der Ver­band spot­tet regelmäs­sig über neue und schär­fere Vorschriften. Sie wür­den «den Markt läh­men» und brem­sten die Elek­tri­fizierung der Autos, weil die Kund­schaft erun­sichert sei. Die Poli­tik müsse jet­zt ein­greifen und Reg­ulierun­gen aus­set­zen. Die Impor­teure ver­suchen, mit dem Klagelied Druck zu machen und das Bild eines gebeutel­ten Wirtschaft­szweigs zu zeich­nen.

Das Jam­mern des Ver­bands ver­mag allerd­ings doch zu über­raschen: Das Jahr ist näm­lich hin­sichtlich «echter» Stromer – also ohne Hybride und Plu­g­in-Hybride – dur­chaus pass­abel ges­tartet. Noch nie wur­den zu Jahres­be­ginn mehr Elek­troau­tos zuge­lassen als 2025. Mit über 6300 Fahrzeu­gen im Jan­u­ar und Feb­ru­ar waren es elf Prozent mehr als vor einem Jahr. Was also steckt hin­ter dem Kla­gen von auto-schweiz? Seit Anfang Jahr gel­ten für die Autoim­por­teure angepasste Flot­ten­ziele für die neu verkauften Autos. Sie liegen etwa einen Fün­f­tel unter dem Wert, der bis­lang galt. Dieser Fahrplan ist zwar seit Jahren bekan­nt; die Impor­teure stossen sich aber den­noch daran – auch weil ins­ge­samt weniger Per­so­n­en­wa­gen verkauft wer­den.

Die Ziel­w­erte basieren auf dem CO₂-Gesetz und der Bun­desrat set­zt sie mit­tels Verord­nung in Kraft. Dabei han­delt es sich um eine Mis­chrech­nung. «Ben­zin­er und Diesel-Autos belas­ten die CO₂-Bilanz, während Elek­troau­tos das Ergeb­nis verbessern», sagt Anette Michel, Pro­jek­tlei­t­erin der VCS-Ver­gle­ich­splat­tform eco-auto.info. «Die Flot­ten­ziele gel­ten für die Neuwa­gen aller Impor­teure. Wenn deren Emis­sio­nen im Durch­schnitt 94 Gramm CO₂ pro Kilo­me­ter nicht über­schre­it­en, haben sie das Flot­ten­ziel erfüllt. Wenn nicht, dro­hen Bussen.»

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Ungleich lange Ellen

Allerd­ings sind die Ziele nicht in jedem Fall diesel­ben. Her­steller, die vor allem grosse und schwere Autos pro­duzieren, haben mehr CO₂-Ausstoss zugute als Marken, die sich auf kleinere Fahrzeuge konzen­tri­eren. Durch diese indi­vidu­ellen Flot­ten­ziele wür­den die vor­bildlichen Impor­teure mit stren­geren Zie­len bestraft, während schlechtere belohnt wür­den, moniert Michel. «Es wird nur gemessen, wie viel CO₂ aus dem Aus­puff kommt. Die gesamte CO₂-Belas­tung der Her­stel­lung wird für die Ziel­w­erte nicht beachtet.» Den­noch rech­net die Branche alleine 2025 mit «Sank­tion­szahlun­gen von bis zu 500 Mil­lio­nen Franken». Da sei ein Abbau von Arbeit­splätzen so gut wie sich­er, lässt sich auto-schweiz-Präsi­dent Peter Grü­nen­felder zitieren.

Die Branche weiss vorzüglich zu lob­byieren und hat im Bun­de­shaus viele Gefährtin­nen und Gefährten.

Doch Grü­nen­felders Ver­band schlägt sich auf die Seite der Zaud­er­er und Nachzü­gler, meint Michel: «Einige Her­steller sind näm­lich sehr wohl auf Kurs. Beispiel­sweise hat Renault mit sparsamen Ver­bren­ner­mod­ellen und erschwinglichen Stromern vorgelegt und ist für die schär­fer­en CO₂-Ziele gewapp­net.» Auch Vol­vo habe viele elek­tri­fizierte Mod­elle im Ange­bot und so die neuen Ziele bere­its erre­icht. «Andere Marken hal­ten hinge­gen unbeir­rt an ihren klima­belas­ten­den Mod­ellen fest. Sie müssen nun ihre Strate­gie anpassen oder Sank­tio­nen bezahlen, und das gefällt ihnen natür­lich nicht», sagt Michel.

Iro­nis­cher­weise fliessen die Buss­gelder nicht etwa in Klimapro­jek­te, wie man es erwarten dürfte – nein: sie wer­den dem Nation­al­strassen- und Agglom­er­a­tionsverkehrs-Fonds (NAF) zugewiesen und finanzieren so aus­gerech­net die umweltschädi­gende Infra­struk­tur für Autos.

 

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CO₂-Ziel als einziger Massstab

Auf dem Weg zur notwendi­gen Elek­tri­fizierung des Autoverkehrs sind sink­ende CO₂-Ziele den­noch eine wirk­same Mass­nahme. Die Reg­u­la­tion soll Ans­porn sein, möglichst mehr elek­trische Autos auf den Markt zu brin­gen. Grössere Serien bedeuten auch sink­ende Kosten und in der Folge tief­ere Anschaf­fung­spreise für E‑Autos, was den Ausstieg aus Ben­zin und Diesel weit­er begün­stigt.

Zusät­zliche Wirkung würde zudem eine kon­tinuier­liche jährliche Anpas­sung der CO₂-Ziele ver­sprechen. Der momen­tan ange­wandte Mech­a­nis­mus hat zu Zielsenkun­gen 2012, 2020 und 2025 geführt – in den Jahren dazwis­chen gab es kaum Verbesserun­gen. Beson­ders wirk­sam wäre überdies, wenn die Schweiz auch für die Autoin­dus­trie Min­dest­stan­dards und Ver­brauch­sober­gren­zen fes­tle­gen würde; so wie sie in anderen Branchen längst selb­stver­ständlich sind. Beson­ders ver­brauchsin­ten­sive CO₂-Schleud­ern – etwa überdi­men­sion­ierte SUVs oder Hochleis­tungss­port­wa­gen – dürften auf diese Weise gar nicht erst importiert wer­den.

«Es wird nur gemessen, wie viel CO₂ aus dem Aus­puff kommt. Die gesamte CO₂-Belas­tung der Her­stel­lung wird für die Ziel­w­erte nicht beachtet.»
Anette Michel

Auf Dauer seien auf dem Weg zu weniger kli­maschädlichen Autos jedoch Nachar­beit­en unumgänglich, meint eco-auto-Exper­tin Michel: «Es wird nicht bei den nun gel­tenden Ziel­w­erten bleiben. 2030 ist die näch­ste Stufe vorge­se­hen – neue Per­so­n­en­wa­gen dür­fen dann durch­schnit­tlich noch 50 Gramm CO₂ je Kilo­me­ter ausstossen.» Als let­zten Schritt der Neuwa­gen-Flot­ten­ziele sieht die EU eine Reduk­tion auf null CO₂-Emis­sio­nen ab 2035 vor. Die Schweiz dürfte dieses Ziel dere­inst übernehmen; in einem Ver­bren­ner-Ver­bot mün­det es aber nicht unbe­d­ingt: Bei einem Net­to-Null-Ziel fall­en lediglich die Sank­tion­szahlun­gen bere­its ab dem ersten Gramm CO₂/km an.

Europa knickt ein

Nicht nur in der Schweiz wehrt sich die Branche gegen sink­ende Ziel­w­erte. In Brüs­sel etwa dur­chaus mit Erfolg: Die EU-Kom­mis­sion ist den Her­stellern so weit ent­ge­gengekom­men, dass diese die neuen CO₂-Ziel­w­erte nicht mehr wie geplant heuer, son­dern bloss als Drei­jahres­durch­schnitt bis 2027 ein­hal­ten müssen. Die Dachor­gan­i­sa­tion der europäis­chen Verkehrsver­bände, Trans­port & Envi­ron­ment (T & E), kom­men­tiert: «Damit unter­gräbt die EU-Kom­mis­sion den wichtig­sten Anreiz für europäis­che Auto­her­steller, im Ren­nen um die Elek­tri­fi ierung aufzu­holen.» Man rechne im EU-Raum in den näch­sten zwei Jahren mit rund 880 000 Elek­troau­tos, die durch den Auf­schub nicht verkauft wür­den. Unter dem Strich eine ganze Menge CO₂, das hätte einges­part wer­den kön­nen.

Mar­co Barnebeck/pixelio.de

Auto-schweiz hat den Brüs­sel­er Kom­mis­sion­sentscheid mit Freude zur Ken­nt­nis genom­men und forderte sogle­ich, dass die Schweiz nachziehe. Auto-schweiz-Präsi­dent Grü­nen­felder bez­if­fert die Auto­mo­bil­wirtschaft jew­eils gerne als «drittgrösste Import­branche unseres Lan­des» und warnt vor dem dro­hen­den Abbau von Arbeit­splätzen. Die Branche weiss damit vorzüglich zu lob­byieren und hat im Bun­de­shaus viele Gefährtin­nen und Gefährten; mit Albert Rösti gar den ehe­ma­li­gen Ver­band­spräsi­den­ten im Bun­desrat­sz­im­mer, der mit­tler­weile in seinem Departe­ment die ein­schlägi­gen Dossiers führt.

Tat­säch­lich hat der Bun­desrat das Lamen­to erhört, ist in sein­er CO₂-Verord­nung über die Büch­er gegan­gen und hat der Auto­branche grosse Wün­sche erfüllt: Prak­tisch alle Impor­teure erhal­ten nun Erle­ichterun­gen auf den Kli­mazie­len. Damit begün­stigt der Bun­desrat den Verkauf von Ben­zin­ern und Diese­lau­tos; dem Ziel, den Autoverkehr mit­tel­fristig kli­mascho­nen­der zu gestal­ten, läuft das allerd­ings zuwider.

Immer­hin ist der Bun­desrat in sein­er Verord­nung teil­weise unter den über­ris­se­nen Max­i­mal­forderun­gen der Auto-Impor­teure geblieben. Entsprechend gehar­nischt reagiert der Ver­band und lässt aus­richt­en, man prüfe juris­tis­che Schritte gegen die «wirtschafts­feindliche» CO₂-Verord­nung.

Andreas Käser­mann