Ewige Altlast Asbest
Seit 1990 ist Asbest hierzulande verboten. Weder dürfen Asbest-Produkte verkauft werden, noch dürfen seither asbesthaltige Bauteile eingesetzt werden. Dennoch: Der Asbestboom der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts rächt sich heute mehr denn je.
Der Begriff Asbest entstammt dem Lateinischen, war aber ursprünglich vom altgriechischen ásbestos abgeleitet, was etwa unauslöschlich oder unzerstörbar bedeutet. Dieser Ewigkeitsanspruch trifft es gar nicht mal schlecht. Asbest war lange Zeit als hervorragende Mineralfaser geschätzt: Weder Säure noch Feuer können ihr etwas anhaben – sie isoliert, ist äusserst zugfest und elastisch. Darüber hinaus war Asbest vor allem auch billig – beste Voraussetzungen für eine grosse Nachfrage.
Erst in den 1970er-Jahren wurde die gesundheitsgefährdende Wirkung des Asbestfaserstaubes offiziell anerkannt. Die Fasern haben die Eigenschaft, sich in der Längsrichtung aufzuspalten. Dabei entstehen kleinste Fasern mikroskopischer Grösse, welche eingeatmet werden und pfeilgleich in der Lunge stecken bleiben. Die Folge kann Kehlkopf- oder Lungenkrebs sein. Gemäss Bundesamt für Gesundheit erkranken jedes Jahr rund 120 Personen schwer, weil sie eine krebserregende Menge an Asbestfasern eingeatmet haben.
Omnipräsent trotz Verbot
Aus diesem Grund wurde Asbest 1990 verboten – als Altlast bleibt der Baustoff jedoch bis heute erhalten. Und beschäftigt vor allem sanierungs- und renovationswillige Besitzerinnen und Besitzer von Liegenschaften, welche vor diesem Stichjahr gebaut wurden. «Zwar ist Asbest inzwischen verboten, dennoch ist es nach wie vor in sehr vielen Gebäuden mit Baujahr vor 1990 verbaut. Viele Eigenheimbesitzer wissen nicht um die Gefahr, die in ihrem Zuhause ruht», weiss Hausvereins-Beraterin Marianne Stähler. Insbesondere auch, weil Asbest noch viel häufiger eingesetzt wurde als gemeinhin bekannt. «Es gibt weit über 3000 Anwendungen, bei welchen Asbest zum Tragen kam. Fensterkitt, Elektrotableaus, Schalldämmungen, Isolationsplatten – sogar beim Plättlikleber, entlang Rohrleitungen und beim Fassadenputz wurde oft Asbest verwendet.»
Dies wird nun mehr und mehr zum Bumerang, sind es doch just die Gebäude dieser Jahrgänge, welche nun sanierungsbedürftig werden. Zwar ist Asbest bedenkenlos, solange es in Baumaterialen fest gebunden ist. Werden jedoch bei Umbau‑, Unterhaltsund Renovationsarbeiten Asbestfasern freigesetzt, wird es gefährlich: «Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer kommen nicht umhin, vor einer Renovation oder Sanierung genaue Abklärungen zu treffen. Tun sie es nicht, drohen Überraschungen.»
Tatsächlich wird die Erneuerung einer Liegenschaft haarig, wenn während der Arbeiten Asbest- Altlasten zum Vorschein kommen. Deren fachgerechte Entfernung und Entsorgung muss von erfahrenen und spezialisierten Fachleuten durchgeführt werden. Das kann den Zeitplan verzögern, zumal die betroffenen Baustoffe höchst sorgfältig entfernt werden müssen, um den schädlichen Asbeststaub zu verhindern. Die Rückbauarbeiten sowie die korrekte Asbestentsorgung gehen zudem nicht selten richtig ins Geld.
Arbeiten an schwachgebundenen Asbestprodukten wie Rohrisolationen sind besonders gefährlich. Schon bei geringer Einwirkung lösen sich die Asbestfasern aus dem Verbund und führen zu hohen Faserkonzentrationen in der Luft. Jedoch gibt es auch bei festgebundenen Asbestprodukten (etwa Dichtungen, Zementverbundplatten oder Blumenkisten) Gefahren: insbesondere, wenn diese bei deren Entfernung beschädigt werden, beim Fräsen, Bohren oder Schneiden. Gerade wenn ein Malheur passiert oder wenn Bastler unbedarft ans Werk gehen, können unwissentlich hohe Asbestkonzentrationen entstehen.
Gesellschaftliche Verantwortung
Eine gesetzliche Pflicht, asbestbelastete Liegenschaften zu sanieren, besteht in der Schweiz nicht. Jedoch gibt es gemäss Forum Asbest Schweiz eine Meldepflicht für Asbestsanierungen bereits ab kleinen Flächen. Demnach müssen beauftragte Handwerker und Unternehmen gemäss Suva sicherstellen, dass die Arbeiter nicht einem Asbest-Risiko ausgesetzt sind. Klarheit und Sicherheit bringt eine vorgängige Prüfung anhand von Materialproben. Ein solcher Check kostet im Normalfall zwischen 800 und 1200 Franken.
Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer stünden jedoch auch jenseits der gesetzlichen Vorschriften in der Verantwortung, meint Marianne Stähler: «Besonders Mieterinnen und Mieter müssen sich darauf verlassen können, dass sie in einer gesunden Umgebung leben. Und bei einer Sanierung ist es für mich als Eigentümerin Pflicht, die Gesundheit der beauftragten Handwerker zu schützen.»
Eine genaue Untersuchung des Sanierungsobjektes sorgt für Klarheit und schützt vor bösen Überraschungen und Gefahren. Im Kanton Zürich ist die Prüfung auf Schadstoffe seit kurzem gar obligatorisch. Die öffentliche Hand betreibt Fachstellen, welche bei Fragen im Zusammenhang mit Asbest weiterhelfen.
Andreas Käsermann