
Ein Nein mit Alternativen
Die Ablehnung des Ausbaus der Autobahnen eröffnet andere und bessere Möglichkeiten. In Bundesbern schlummern nämlich ausgereifte verkehrspolitische Alternativen, denen man viel zu lange viel zu wenig Beachtung geschenkt hat. Jetzt ist Gelegenheit zum Nach- und Umdenken.
Die Autobahn-Befürwortenden wirkten an jenem Abend des Abstimmungssonntags im November ziemlich ratlos. In den langen Gesichtern spiegelten sich die Fragezeichen förmlich. Wie weiter? Aus ihrer Sicht war der Autobahn-Ausbau alternativlos – vor der Abstimmung einen Plan B auszuhecken, schien ihnen unnötig. Dabei gibt es der Konzepte einige; bloss wurden diese teilweise jahrelang von denselben verschleppt, die nun konsterniert und konzeptlos in die Runde blickten.
Bahn statt Autobahn
Die offensichtlichste Variante ist fraglos die Bahn. Während das System Strasse störungsanfällig und darum staugefährdet ist, ist das zügige Vorwärtskommen auf der Schiene praktisch immer garantiert. Entsprechend muss auch investiert werden, findet VCS-Geschäftsführerin Stéphanie Penher: «Unbestritten: Bahn-Investitionen sind auch teuer. Aber sie sind wesentlich nachhaltiger und – auch angesichts der Klimakrise – die bessere Lösung. Überdies hilft eine Steigerung der Bahn-Kapazitäten, die Strassen zu entlasten, damit diese frei sind für jene, die sie wirklich benötigen.»
Andere Konzepte liegen auch einfach nur brach. Ein Beispiel ist «Mobility Pricing». Der Bundesrat hat die Grundlagen für Versuchsbetriebe vor nunmehr vier Jahren geschaffen. Passiert ist nichts. Nirgendwo wurde «Mobility Pricing» probehalber installiert, moniert Penher: «Das Konzept vergammelt irgendwo in den Schubladen der Verwaltungen. Dabei ist ‹Mobility Pricing› ein Instrument, das der Steuerung des Verkehrs dienen kann und überdies das Verursacherprinzip hochhält.»

Verkehr verbessern
Wo der Strassenverkehr nicht verlagert werden kann, sollte er zumindest verbessert werden. Als Bindeglied zwischen Verlagerung und Verbesserung funktioniert das Programm «Mobilität und Raum 2050» des Bundesamts für Raumentwicklung. Es gibt den Rahmen für die langfristige Entwicklung des schweizerischen Verkehrssystems vor und nimmt dabei Rücksicht auf raumplanerische und Umweltaspekte. «Das Programm setzt insbesondere auf das System der Verkehrsdrehscheiben», sagt Penher. An diesen treffe verschiedene Verkehrsmittel zusammen und können ideal verknüpft werden. «Ob Sharing-Auto oder ‑Velo, Zug, Tram oder Bus – das System fördert die Nutzung des jeweils geeignetsten Verkehrsmittels.» Damit wird zwar kein gefahrener Kilometer eingespart – aber immerhin optimiert.
Umsetzen statt lamentieren
Die Ideen für eine zeitgemässe und zukunftstaugliche Verkehrsplanung lägen also auf dem Tisch. Man bräuchte sie nur noch zu realisieren. Das Nein zum Ausbau der Autobahnen kann Startschuss für eine neue Denkweise sein. Allem Anschein nach ist man im Verkehrsdepartement nun gewillt, diesen Weg zu gehen. Verkehrsminister Rösti sieht vor, die Bahn und die Strasse und die Agglomerationsprojekte gemeinsam mit einem ETH-Experten und zusammen mit den wichtigsten Stakeholdern zu denken und zu planen – mit dabei: der VCS mit der Position gegen Mehrverkehr und für mehr Klimaschutz.

Freilich lässt sich Rösti in der Autobahnfrage eine Hintertüre offen: Seiner Meinung nach haben die Stimmenden im November nämlich bloss ein überladenes Fuder abgelehnt. Das könnte übersetzt heissen, dass man es in kleinen Portionen noch einmal versuchen könnte. Penher kann sich sogar ein «Buebetrickli» vorstellen, welches der Verkehrsminister ersonnen hat: «Es ist denkbar, dass Verkehrsprojekte verknüpft werden. So könnte der Bund Geld für ein Tram lockermachen, sofern gleichzeitig der Widerstand gegen einen Autobahn-Ausbau gebrochen ist. Das wäre dann allerdings höchst undemokratisch. In dieser Hinsicht müssen wir wachsam bleiben.»
Andreas Käsermann