Eigenmietwert: Das politische Feilschen ist eröffnet
Bundesbern beschäftigt sich derzeit einmal mehr intensiv mit dem Thema Eigenmietwert. Dies durchaus nicht zum ersten Mal, ist doch insbesondere der bürgerlich gesteuerten Eigentümerlobby die Fiskalabgabe seit Langem ein Dorn im Auge. Jetzt liegt der Ball beim zuständigen Finanzdepartement, welches im Auftrag der ständerätlichen Wirtschaftskommission eine Anhörung lanciert.
Die aktuelle Debatte um den Eigenmietwert geht auf einen Vorstoss von HEV-Präsident Hans Egloff (Nationalrat SVP/ZH) zurück, welcher den Eigenmietwert einmal mehr in Frage stellte. Beileibe nicht der erste Angriff auf den lästigen Steuerposten, dessen Existenzberechtigung kaum einleuchtend ist. «Warum soll ich eine Einnahme versteuern müssen, die nie auf meinem Konto auftaucht?» Die Frage zu beantworten, ist nicht ganz trivial – wird doch der Eigenmietwert nicht zuletzt auch von den Mietenden als ausgleichende Gerechtigkeit betrachtet.
Zusätzlich wurde der Eigenmietwert – um den Groll der Hausbesitzenden in Grenzen zu halten – wenigstens mit einer Handvoll Abzugsmöglichkeiten (etwa für Schuldzinsen oder Unterhaltskosten) gepaart.
Diese Steuererleichterungen hatte die politische Rechte in der Vergangenheit freilich immer schön wahren wollen. Bloss den Eigenmietwert selber wollte man endlich los sein. Wenig überraschend, dass diese «Alles-oder-nichts»-Politik jeweils recht zuverlässig grandios scheiterte. Auch am Widerstand der Kantone: die Abschaffung des Eigenmietwerts hätte ihnen happige Ausfälle beschert, welche auf Kosten der Allgemeinheit hätten kompensiert werden müssen.
Abschaffung des Eigenmietwerts: Die diskutierten Varianten
Grundsätzlich steht die Wirtschaftskommission des Ständerats einer Abschaffung des Eigenmietwerts positiv gegenüber. Wie jedoch mit den bisherigen Abzugsmöglichkeiten um gegangen werden soll, da ist die Kommission – auch mit Blick auf die einzudämmende private Verschuldung – uneins.
Bis Mitte Juli will die Eidg. Steuerverwaltung nun im Auftrag der Wirtschaftskommission die Meinung zu folgenden fünf Varianten erörtern:
- Variante 1: Abzugsfähigkeit der privaten Schuldzinsen im Umfang der steuerbaren Vermögenserträge
- Variante 2: Abzugsfähigkeit der privaten Schuldzinsen im Umfang von 80 Prozent der steuerbaren Vermögenserträge
- Variante 3: Abzugsfähigkeit der privaten Schuldzinsen im Umfang der steuerbaren Erträge aus unbeweglichem Vermögen und von 50 000 Franken bei Halten einer oder mehrerer qualifizierter Beteiligungen
- Variante 4: Abzugsfähigkeit der privaten Schuldzinsen im Umfang der steuerbaren Erträge aus unbeweglichem Vermögen
- Variante 5: Genereller Wegfall der Abzugsfähigkeit privater Schuldzinsen
Letztere Variante entspräche dem vollständigen Systemwechsel, der jedoch auf Widerstand stossen dürfte, zumal er vermutlich die WohneigentümerInnen teurer zu stehen kommt als der bisherige Eigenmietwert.
Um das Wohneigentum zu fördern, schlägt die Kommission ausserdem einen Ersterwerberabzug vor. Dieser soll im ersten Jahr 10 000 Franken betragen und dann über 10 Jahre hinweg stetig zurückgehen.
Casafair wird sich an der Vernehmlassung beteiligen. Der Zentralvorstand will seine Haltung Ende Juni verabschieden und anschliessend kommunizieren.
2017 kam Bewegung in die Sache
Die derzeit laufende Vernehmlassung zum Thema hat ihren Ursprung in jener Debatte, die bereits 2017 vom Nationalrat geführt wurde. Diese zeitigte einen gewissen Handlungsspielraum. Selbst bürgerlichst getrimmte Ratsmitglieder liessen sich zu Gedankenspielen über einen vollständigen Systemwechsel – also Abschaffung des Eigenmietwerts bei gleichzeitigem Wegfall der Abzugsmöglichkeiten – hinreissen. Diese Position wurde seinerzeit auch von Casafair (bzw. dem Hausverein Schweiz) gefordert: Der Zentralvorstand hat nach einer internen Konsultation aller Sektionen gefordert, «auf die Besteuerung des Eigenmietwerts inskünftig zu verzichten, jedoch gleichzeitig auch die ausgleichenden Abzugsmöglichkeiten zu streichen.» Der «vollständige Systemwechsel» nennt sich das dann. Für die Verbandsspitze überwogen die Vorteile einer effizienten, einfachen und gerechten Wohneigentumsbesteuerung. Indes: «Durch den Systemwechsel fallen gegenüber heutiger Praxis Anreize zur Werterhaltung einer Liegenschaft weg.» Solche Anreize müssten zwar anderswo geschaffen werden, «allerdings soll dies nicht mehr über Steuerabzüge, sondern über eine direkte Förderung geschehen.»
Steuerausfälle abhängig vom Zins
In dieser Phase der Beratung hat sich Casafair-Vize-Präsident und SP-Nationalrat Thomas Hardegger beim Bundesrat über die Auswirkungen eines Systemwechsels auf die Steuereinnahmen erkundigt. Demnach hängen die Steuerausfälle von der Höhe des Hypothekarzinssatzes ab: Beim jetzigen Hypothekarzinsniveau von rund 2 Prozent dürften dem Fiskus bei einer Abschaffung sowohl der Abzüge wie auch des Eigenmietwerts jährlich etwa 400 Millionen Franken direkte Bundessteuern entgehen. Die Kantone hätten zusätzlich ebenfalls Ausfälle. Das Minus wäre, so die Einschätzung aus dem Finanzdepartement, auf allen Staatsebenen allerdings noch sehr viel höher, fiele der Eigenmietwert weg, während Schuldabzüge weiterhin möglich wären.
Stiege der Hypothekarzins dagegen auf 3 Prozent, so dürften die heutige Handhabe und der Systemwechsel ungefähr gleich viel Steuern abwerfen. «Folglich würden für den Bund bei einem Systemwechsel und einem Zinsniveau von 5 Prozent Mehr einnahmen resultieren», lässt der Bundesrat in seiner Antwort auf Hardeggers Interpellation wissen. Und weiter: «Je vollständiger ein Systemwechsel, desto günstigere Rahmenbedingungen werden für eine rechtsgleiche Besteuerung von Wohneigentümern und Mietern geschaffen.» Und schliesslich rechnet der Bundesrat mit einer «administrativen Vereinfachung und damit tieferen Vollzugskosten». Eine strikte Abwehrhaltung klingt in Bundesbern anders.
Ausgang der Debatte höchst ungewiss
Der Nationalrat hat in seiner Lesung vor knapp drei Jahren den vollständigen Systemwechsel beim Eigenmietwert zwar durchaus wohlwollend diskutiert; den Zeitpunkt für eine Änderung des Modus Vivendi jedoch als ungünstig betrachtet. Danach war der Ständerat am Zug, der nun seine Auswahlsendung mit fünf Varianten präsentiert hat und diese in eine Vernehmlassung gab, an welcher sich auch Casafair als Keyplayer beteiligt. Derzeit ist völlig ungewiss, welcher der Lösungsansätze die Anhörung, die Kommission sowie die anschliessende Plenums-Beratung im Stöckli übersteht.
Eine weitere Unbekannte: die Haltung der Banken- und Versicherungsbranche, die sich in der bisherigen Diskussion vornehm zurückgehalten hat. Das dürfte sich aber ändern, sollte eine Reduktion des Schuldzinsabzuges oder gar dessen Abschaffung tatsächlich ernsthaft erwogen werden.
Sicher ist: Der letzte Tango um den Eigenmietwert wird noch eine Weile nicht angestimmt. Denn vor den Wahlen wird das Geschäft nicht mehr beraten werden können. Anzunehmen ist auch, dass die Debatte ohnehin in einer Differenz zum Nationalrat mündet; der also erneut über dem Geschäft brüten muss. Die Angelegenheit zieht sich damit weit in die neue Legislatur – mit möglicherweise veränderten Mehrheitsverhältnissen im Bundeshaus. Ob es unter diesen Vorzeichen dem Eigenmietwert wirklich an den Kragen geht? Es lässt sich nur spekulieren.
Andreas Käsermann