Eigenmietwert: Das politische Feilschen ist eröffnet

13. Juni 2019 | casanos­tra

Steuerformular© Andreas Käser­mann

Bun­des­bern beschäftigt sich derzeit ein­mal mehr inten­siv mit dem The­ma Eigen­mi­etwert. Dies dur­chaus nicht zum ersten Mal, ist doch ins­beson­dere der bürg­er­lich ges­teuerten Eigen­tümer­lob­by die Fiskal­ab­gabe seit Langem ein Dorn im Auge. Jet­zt liegt der Ball beim zuständi­gen Finanzde­parte­ment, welch­es im Auf­trag der stän­derätlichen Wirtschaft­skom­mis­sion eine Anhörung lanciert.

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© Casafair Schweiz

Die aktuelle Debat­te um den Eigen­mi­etwert geht auf einen Vorstoss von HEV-Präsi­dent Hans Egloff (Nation­al­rat SVP/ZH) zurück, welch­er den Eigen­mi­etwert ein­mal mehr in Frage stellte. Beileibe nicht der erste Angriff auf den lästi­gen Steuer­posten, dessen Exis­tenzberech­ti­gung kaum ein­leuch­t­end ist. «Warum soll ich eine Ein­nahme ver­s­teuern müssen, die nie auf meinem Kon­to auf­taucht?» Die Frage zu beant­worten, ist nicht ganz triv­ial – wird doch der Eigen­mi­etwert nicht zulet­zt auch von den Mietenden als aus­gle­ichende Gerechtigkeit betra­chtet.

Zusät­zlich wurde der Eigen­mi­etwert – um den Groll der Haus­be­sitzen­den in Gren­zen zu hal­ten – wenig­stens mit ein­er Hand­voll Abzugsmöglichkeit­en (etwa für Schuldzin­sen oder Unter­halt­skosten) gepaart.

Diese Steuer­erle­ichterun­gen hat­te die poli­tis­che Rechte in der Ver­gan­gen­heit freilich immer schön wahren wollen. Bloss den Eigen­mi­etwert sel­ber wollte man endlich los sein. Wenig über­raschend, dass diese «Alles-oder-nichts»-Politik jew­eils recht zuver­läs­sig grandios scheit­erte. Auch am Wider­stand der Kan­tone: die Abschaf­fung des Eigen­mi­etwerts hätte ihnen hap­pige Aus­fälle beschert, welche auf Kosten der All­ge­mein­heit hät­ten kom­pen­siert wer­den müssen.

Abschaffung des Eigenmietwerts: Die diskutierten Varianten

Grund­sät­zlich ste­ht die Wirtschaft­skom­mis­sion des Stän­der­ats ein­er Abschaf­fung des Eigen­mi­etwerts pos­i­tiv gegenüber. Wie jedoch mit den bish­eri­gen Abzugsmöglichkeit­en um gegan­gen wer­den soll, da ist die Kom­mis­sion – auch mit Blick auf die einzudäm­mende pri­vate Ver­schul­dung – uneins.

Bis Mitte Juli will die Eidg. Steuerver­wal­tung nun im Auf­trag der Wirtschaft­skom­mis­sion die Mei­n­ung zu fol­gen­den fünf Vari­anten erörtern:

  • Vari­ante 1: Abzugs­fähigkeit der pri­vat­en Schuldzin­sen im Umfang der steuer­baren Ver­mö­genserträge
  • Vari­ante 2: Abzugs­fähigkeit der pri­vat­en Schuldzin­sen im Umfang von 80 Prozent der steuer­baren Ver­mö­genserträge
  • Vari­ante 3: Abzugs­fähigkeit der pri­vat­en Schuldzin­sen im Umfang der steuer­baren Erträge aus unbe­weglichem Ver­mö­gen und von 50 000 Franken bei Hal­ten ein­er oder mehrerer qual­i­fiziert­er Beteili­gun­gen
  • Vari­ante 4: Abzugs­fähigkeit der pri­vat­en Schuldzin­sen im Umfang der steuer­baren Erträge aus unbe­weglichem Ver­mö­gen
  • Vari­ante 5: Genereller Weg­fall der Abzugs­fähigkeit pri­vater Schuldzin­sen

Let­ztere Vari­ante entspräche dem voll­ständi­gen Sys­temwech­sel, der jedoch auf Wider­stand stossen dürfte, zumal er ver­mut­lich die Wohneigen­tümerIn­nen teur­er zu ste­hen kommt als der bish­erige Eigen­mi­etwert.

Um das Wohneigen­tum zu fördern, schlägt die Kom­mis­sion ausser­dem einen Erster­wer­ber­abzug vor. Dieser soll im ersten Jahr 10 000 Franken betra­gen und dann über 10 Jahre hin­weg stetig zurück­ge­hen.

Casafair wird sich an der Vernehm­las­sung beteili­gen. Der Zen­tralvor­stand will seine Hal­tung Ende Juni ver­ab­schieden und anschliessend kom­mu­nizieren.

2017 kam Bewegung in die Sache

Die derzeit laufende Vernehm­las­sung zum The­ma hat ihren Ursprung in jen­er Debat­te, die bere­its 2017 vom Nation­al­rat geführt wurde. Diese zeit­igte einen gewis­sen Hand­lungsspiel­raum. Selb­st bürg­er­lichst getrimmte Ratsmit­glieder liessen sich zu Gedanken­spie­len über einen voll­ständi­gen Sys­temwech­sel – also Abschaf­fung des Eigen­mi­etwerts bei gle­ichzeit­igem Weg­fall der Abzugsmöglichkeit­en – hin­reis­sen. Diese Posi­tion wurde sein­erzeit auch von Casafair (bzw. dem Hausvere­in Schweiz) gefordert: Der Zen­tralvor­stand hat nach ein­er inter­nen Kon­sul­ta­tion aller Sek­tio­nen gefordert, «auf die Besteuerung des Eigen­mi­etwerts inskün­ftig zu verzicht­en, jedoch gle­ichzeit­ig auch die aus­gle­ichen­den Abzugsmöglichkeit­en zu stre­ichen.» Der «voll­ständi­ge Sys­temwech­sel» nen­nt sich das dann. Für die Ver­bandsspitze über­wogen die Vorteile ein­er effizien­ten, ein­fachen und gerecht­en Wohneigen­tums­besteuerung. Indes: «Durch den Sys­temwech­sel fall­en gegenüber heutiger Prax­is Anreize zur Wert­er­hal­tung ein­er Liegen­schaft weg.» Solche Anreize müssten zwar ander­swo geschaf­fen wer­den, «allerd­ings soll dies nicht mehr über Steuer­abzüge, son­dern über eine direk­te Förderung geschehen.»

Steuerausfälle abhängig vom Zins

In dieser Phase der Beratung hat sich Casafair-Vize-Präsi­dent und SP-Nation­al­rat Thomas Hard­eg­ger beim Bun­desrat über die Auswirkun­gen eines Sys­temwech­sels auf die Steuere­in­nah­men erkundigt. Dem­nach hän­gen die Steuer­aus­fälle von der Höhe des Hypothekarzinssatzes ab: Beim jet­zi­gen Hypothekarzin­sniveau von rund 2 Prozent dürften dem Fiskus bei ein­er Abschaf­fung sowohl der Abzüge wie auch des Eigen­mi­etwerts jährlich etwa 400 Mil­lio­nen Franken direk­te Bun­dess­teuern ent­ge­hen. Die Kan­tone hät­ten zusät­zlich eben­falls Aus­fälle. Das Minus wäre, so die Ein­schätzung aus dem Finanzde­parte­ment, auf allen Staat­sebe­nen allerd­ings noch sehr viel höher, fiele der Eigen­mi­etwert weg, während Schuld­abzüge weit­er­hin möglich wären.

Stiege der Hypothekarzins dage­gen auf 3 Prozent, so dürften die heutige Hand­habe und der Sys­temwech­sel unge­fähr gle­ich viel Steuern abw­er­fen. «Fol­glich wür­den für den Bund bei einem Sys­temwech­sel und einem Zin­sniveau von 5 Prozent Mehr ein­nah­men resul­tieren», lässt der Bun­desrat in sein­er Antwort auf Hard­eg­gers Inter­pel­la­tion wis­sen. Und weit­er: «Je voll­ständi­ger ein Sys­temwech­sel, desto gün­stigere Rah­menbe­din­gun­gen wer­den für eine rechts­gle­iche Besteuerung von Wohneigen­tümern und Mietern geschaf­fen.» Und schliesslich rech­net der Bun­desrat mit ein­er «admin­is­tra­tiv­en Vere­in­fachung und damit tief­er­en Vol­lzugskosten». Eine strik­te Abwehrhal­tung klingt in Bun­des­bern anders.

Ausgang der Debatte höchst ungewiss

Der Nation­al­rat hat in sein­er Lesung vor knapp drei Jahren den voll­ständi­gen Sys­temwech­sel beim Eigen­mi­etwert zwar dur­chaus wohlwol­lend disku­tiert; den Zeit­punkt für eine Änderung des Modus Viven­di jedoch als ungün­stig betra­chtet. Danach war der Stän­der­at am Zug, der nun seine Auswahlsendung mit fünf Vari­anten präsen­tiert hat und diese in eine Vernehm­las­sung gab, an welch­er sich auch Casafair als Key­play­er beteiligt. Derzeit ist völ­lig ungewiss, welch­er der Lösungsan­sätze die Anhörung, die Kom­mis­sion sowie die anschliessende Plenums-Beratung im Stöck­li über­ste­ht.

Eine weit­ere Unbekan­nte: die Hal­tung der Banken- und Ver­sicherungs­branche, die sich in der bish­eri­gen Diskus­sion vornehm zurück­ge­hal­ten hat. Das dürfte sich aber ändern, sollte eine Reduk­tion des Schuldzins­abzuges oder gar dessen Abschaf­fung tat­säch­lich ern­sthaft erwogen wer­den.

Sich­er ist: Der let­zte Tan­go um den Eigen­mi­etwert wird noch eine Weile nicht anges­timmt. Denn vor den Wahlen wird das Geschäft nicht mehr berat­en wer­den kön­nen. Anzunehmen ist auch, dass die Debat­te ohne­hin in ein­er Dif­ferenz zum Nation­al­rat mün­det; der also erneut über dem Geschäft brüten muss. Die Angele­gen­heit zieht sich damit weit in die neue Leg­is­latur – mit möglicher­weise verän­derten Mehrheitsver­hält­nis­sen im Bun­de­shaus. Ob es unter diesen Vorze­ichen dem Eigen­mi­etwert wirk­lich an den Kra­gen geht? Es lässt sich nur spekulieren.

Andreas Käser­mann