
Tempo 30: Eine Lösung für die Gesundheit?
Die Finnen machen es vor: Helsinki hat mit Tempo 30 vor zwei Jahren die «Vision Zero» erreicht. 2019 gab es null getötete FussgängerInnen, VelofahrerInnen und Kinder zu beklagen. Die Erklärung hänge mit den Anhaltewegen zusammen. Diese werden kürzer und ein Fahrzeug steht still, bevor Schlimmeres passiert. Auch Fachleute aus dem Gesundheitswesen beschäftigen sich mit dem Thema – sie warnen vor der Lärmbelastung auf stark und schnell befahrenen Strassen.

Zur Verhinderung von Negativspiralen
Aktuell steckt die Schweiz gleichsam noch in einer Zwischenphase: Auf Verkehrsachsen und Einfallstrassen gilt meist Tempo 50, währenddessen ist in städtischen Quartieren häufig 30 das Limit. Diese Differenzen führen zu einem sozialen Gefälle, welches auch gesellschaftspolitisch Zündstoff birgt: Die am besten vor Lärm geschützten Quartiere sind gemäss Erhebungen des Bundesamts für Umwelt (BAFU) auch die wohlhabendsten.
Wo also das Tempo gesenkt wird, steigen mit der Lebensqualität auch die Liegenschaftspreise und Mieten. Wer sich dies nicht leisten kann, ist nahezu gezwungen, an lärmigen Lagen zu wohnen. Durch diese Dynamiken werden Negativspiralen angeworfen. Die generelle Einführung von Tempo 30 kann eine Möglichkeit bieten, diesen Trend zu durchbrechen.
Wo das Tempo gesenkt wird, steigen mit der Lebensqualität auch die Liegenschaftspreise und Mieten.
Initiative gegen Tempo 30
Doch die Gegenwehr ist laut: Im Fahrwasser der Richtplanabstimmung in Zürich wurde flugs und gut vernehmbar eine kantonale Initiative gegen Tempo 30 beschlossen. Deren AbsenderInnen nehmen den öffentlichen Verkehr als Argument und fordern, dass dieser nicht durch Tempolimits behindert werden soll. Wohlweislich freilich, dass dann auch der motorisierte Individualverkehr kaum ausgebremst werden würde. Unabhängig davon wurde im Dezember 2020 ein neuer Richtplan der Stadt Zürich veröffentlicht. Im neuen Richtplan ist Tempo 30 nicht flächendeckend vorgesehen.
Sollte die Initiative erfolgreich sein, würden die Städte in ihren Absichten zur Temporeduktion empfindlich eingeschränkt. Die damit einhergehende Signalwirkung hätte das Zeug, die Tempo-30-Debatte auch ausserhalb des Kantons Zürich zu ersticken. Der umgekehrte Trend ist aber ebenso möglich.

Modell national und international auf der Agenda
Entsprechend vorsichtig geht in der jüngsten Tempo-30-Diskussion auch der Bundesrat vor: Statt das potenziell umstrittene Schlagwort «Tempo 30» zu verwenden, plant die Landesregierung in ihrer Auslegeordnung zur Verkehrsplanung in den Städten «ein Zonenmodel zur Förderung der Koexistenz aller Fahrzeuge mit Priorisierung des rollenden Langsamverkehrs.» Regelungen sollen sich also künftig stärker am Fuss- und Veloverkehr orientieren. Dies würde wieder die Thematik Tempo 30 widerspiegeln.
Alleine auf weiter Flur ist der Bundesrat mit seinen Absichten nicht: Letzten Herbst hat das EU-Parlament mit grosser Mehrheit unter anderem eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 30 in Wohngebieten und Orten «mit hohem Rad- und Fussgängerverkehr» beschlossen. Das ist ein erster Schritt. Allerdings ist der Weg noch ein steiniger, denn das Ziel ist nicht bindend und bedarf überdies noch der Zustimmung der EU-Mitgliedsländer.
Erschienen ohne Nennung eines Urhebers in Medien der TxMedia.