BauernhausMar­cel Vogler/pixelio.de

Denkmalgeschützte Liegenschaften: Juwelen oder Klotz am Bein?

Wer einen altehrwürdi­gen Bauern­hof oder ein betagtes Stadthaus mod­ernisieren will, kommt oft mit Aufla­gen und Ein­schränkun­gen in Kon­flikt: Der gewün­schte Balkon oder das Dachfen­ster muss dann aus dem Plan gestrichen wer­den. Liegen­schafts­be­sitzen­den wird mitunter viel Ver­ständ­nis abver­langt, während die Denkmalpflege gemäss eigen­em Selb­stver­ständ­nis im Dien­ste der All­ge­mein­heit han­delt. Wer weit­er denkt, find­et aber dur­chaus Kom­pro­misse.

aus casanos­tra 148

Casafair Schweiz

«Da besitze ich ein Haus und darf damit nicht ein­mal machen, was ich will!», beklagt sich ein casanos­tra-Leser. Für seinen Alt­bau – erstellt Ende des 19. Jahrhun­derts – hat­te er grosse Pläne: Eine Veran­da war vorge­se­hen und auf dem Dach Solarpan­els. Doch es schal­tete sich die Denkmalpflege ein. Das Objekt ste­ht auf deren Inven­tarliste und wird als «schützenswert» eingestuft. Die Veran­da war dahin, eben­so das Solar­dach und einige weit­ere Mod­ernisierun­gen, welche geplant waren.

Das kann frus­tri­eren. Denn: Wer ein Haus besitzt, möchte darüber frei ver­fü­gen kön­nen. In Bay­ern hat ein ren­o­va­tion­swilliger Eigen­tümer let­ztlich die Tor­e­in­fahrt seines Fach­w­erkhaus­es mit dem Spruch «Gott schütze mich vor Staub und Schmutz – vor Feuer, Krieg und Denkmalschutz» verziert. Offen­sichtlich war er gen­ervt.

Die Furcht vor dem Denkmalschutz

Die Denkmalpflege hat freilich eine andere Herange­hensweise als ein Haus­be­sitzer, der sich eingeschränkt und gegän­gelt fühlt. Ein geschütztes Objekt sei eben nicht alleiniger Besitz – es gebe dur­chaus ein Inter­esse der All­ge­mein­heit, weil es zum kul­turellen Erbe gehört. Das bringe Ver­ant­wor­tung und Pflicht­en mit sich, welche über Pri­vat­in­ter­essen hin­aus­gin­gen.

Sorge tragen zum architektonischen Erbe

zvg

Architekt Michael Wohlge­muth ist zurück­hal­tend, wenn es um die Mod­ernisierung von geschützten Baut­en geht. «Ein Solar­dach auf dem Kul­turerbe macht mir keine Freude», meint er im Kurz-Inter­view.

Michael Wohlge­muth, Sie sind der Ansicht, dass altehrwürdi­ge Baut­en durch neue Ele­mente – etwa eine Solaran­lage – abgew­ertet wer­den. Warum?

Michael Wohlge­muth: Alte Gebäude zeich­nen sich dadurch aus, dass ihre Ober­flächen Altersspuren annehmen und Pflege benöti­gen. Dies gibt einem alten Haus eine gewisse Noblesse. Wer­den da mod­erne Solarpan­els instal­liert, geht viel davon ver­loren. Erhal­ten ist gut und Solarpan­els sind es eben­falls; aber es passt nicht immer zusam­men. Da ist eine Güter­ab­wä­gung wichtig.

Wer­den aus Ihrer Sicht zu oft Gebäude kaputt mod­ernisiert?

Dur­chaus – recht häu­fig gar. Weniger bei wertvollen Denkmalob­jek­ten; dort sind die Pri­or­itäten klar. Daneben gibt es zahlre­iche schöne alte Liegen­schaften, die mit mod­ernistis­chen Ele­menten und Anbaut­en im Charak­ter gestört wer­den. Mod­erne Ergänzun­gen sehen nach zwanzig Jahren total ver­al­tet aus. Was sich gut ein­fügt dage­gen, das passt auch in fün­fzig Jahren noch zum Alt­bau.

Rück­sichtsvoll und gut eingepasst mod­ernisieren ist eigentlich kein Prob­lem. Das kann zwar etwas teur­er wer­den – dafür sieht es dop­pelt so lange gut aus. Es braucht einen Architek­ten, der das tra­di­tionelle Handw­erk ken­nt, der nicht immer nur «Akzente» set­zen will oder sonst­wie über­mäs­sig gel­tungssüchtig ist.

Mit Solaran­la­gen ist der Umgang schwieriger. Das sind nun mal tech­nis­che Ele­mente.

Welch­es sind die Alter­na­tiv­en?

Eine Solaran­lage auf dem Dach ist auch ein State­ment. Eines, das mir grund­sät­zlich sym­pa­thisch ist. Gle­ichzeit­ig empfinde ich es als sinn­los, wenn Kle­in­stan­la­gen auf schöne Däch­er geset­zt wer­den, während 200 Meter weit­er das grosse Dach ein­er Werkhalle ungenutzt bleibt.

Oft wäre es mir lieber, das Engage­ment würde sich in ein­er Grossan­lage, etwa mit ein­er Investi­tion in eine Solar­all­mend nieder­schla­gen.

Wie beurteilen Sie die Schutzbe­mühun­gen der ein­schlägi­gen Insti­tu­tio­nen? Reichen diese aus, um das Erbe zu bewahren?

Eigen­tums­beschränkun­gen sind schon müh­sam; nicht nur für den Eigen­tümer, son­dern auch für die Ver­wal­tung, welche sie durch­set­zen muss. Wenn ich aber über­lege, wie viel Bausub­stanz in den let­zten fün­fzig Jahren ver­schwun­den ist und wie viele tech­nis­che Her­aus­forderun­gen in den näch­sten fün­fzig Jahren auf uns zukom­men, dann bin ich sehr froh um die Schutzbe­stre­bun­gen unser­er Insti­tu­tio­nen. Ohne diese wäre in weit­eren fün­fzig Jahren prak­tisch alles weg, was ich als typ­is­ches Schweiz­er Orts­bild kenne. Das wäre ein gravieren­der Iden­titätsver­lust. Auch die jet­zt umstrit­tene Ausweitung des Schutzes auf die im Isos-Inven­tar erfassten Orts­bilder begrüsse ich.

Auch Architek­ten rat­en, die Denkmalpflege frühzeit­ig beizuziehen, wenn ein schützens- oder erhal­tenswertes Objekt baulich sub­stanziell erneuert wer­den soll. Ein Bau­vorhaben ohne Absprache zu begin­nen, kön­nte Ärg­er und noch mehr Zusatzkosten nach sich ziehen – da und dort gar den Rück­bau bere­its vol­l­zo­gen­er Mod­ernisierun­gen.

In der Schweiz ist die Denkmalpflege kan­ton­al geregelt. Die Bauge­set­ze geben Auskun­ft darüber. Der Kan­ton Bern etwa nen­nt Bau­denkmäler «her­aus­ra­gende Objek­te und Ensem­bles von kul­turellem, his­torischem oder ästhetis­chem Wert». Dazu gehören namentlich Orts­bilder, Bau­grup­pen, Baut­en, aber auch Gärten, Anla­gen und innere Bauteile. Überdies wird in den kan­tonalen Bauin­ventaren zwis­chen «schützenswert» und «erhal­tenswert» unter­schieden. Schützenswerte Baut­en dür­fen strikt nicht abge­brochen wer­den; erhal­tenswerte hinge­gen dür­fen erset­zt wer­den, sofern deren Erhal­tung unver­hält­nis­mäs­sig ist und – bei einem Neubau – «das Bau­denkmal durch ein gestal­ter­isch eben­bür­tiges Objekt» erset­zt wird.

Auch der Bund führt eine Liste

Zusät­zlich wird auf Bun­de­sebene Schutz und Erhalt von his­torischen Orts­bildern und Kul­tur­denkmälern geregelt. Es greift das Natur- und Heimatschutzge­setz, welch­es das Bun­desin­ven­tar der geschützten Orts­bilder Isos vor­sieht. Dem­nach ist der Bun­desrat verpflichtet, Inventare von Objek­ten von nationaler Bedeu­tung zu erstellen. Das Isos umfasst derzeit 1274 Objek­te – etwa Stein am Rhein (SH), La Chaux-de-Fonds (NE), Erlach (BE), Zofin­gen (AG) – aber auch Städte wie Basel, Bern, St. Gallen und Zürich.

Gewis­sen Orts­bildteilen wird durch das Isos ein Erhal­tungsziel zugeteilt. Die konkrete Umset­zung der Erhal­tungsziele im jew­eili­gen Einzelfall soll sich­er­stellen, dass «die wertvollen Eigen­heit­en des Orts­bilds – und damit seine nationale Bedeu­tung – ungeschmälert erhal­ten bleiben». Zusät­zlich zu den Erhal­tungszie­len gibt das Bun­desin­ven­tar Empfehlun­gen zu ein­er nach­halti­gen Pla­nung ab, um die Erhal­tung des kul­turellen Erbes und die beson­dere Qual­ität der Sied­lun­gen für die Zukun­ft zu gewährleis­ten.

Die Geset­ze wollen aber mit­nicht­en ein lan­desweites Bal­len­berg erstellen. Nutzung, auch Umnutzung und Anpas­sun­gen an die heuti­gen Bedürfnisse sind erlaubt. Jedoch dür­fen Bau­denkmäler «durch Verän­derun­gen in ihrer Umge­bung nicht beein­trächtigt wer­den.» Überdies wer­den die Inven­tarlis­ten der Denkmalpflege eben­so wie die Isos-Liste ab und an über­ar­beit­et, Objek­te auch mal zurück­gestuft.

Denkmalschutz und Ökologie? Ja, das geht!

Die Bes­tim­mungen der Denkmalpflege mögen ein­schränken, sie kol­li­dieren jedoch nicht zwangsläu­fig mit mod­er­nen Bau­vorhaben und ökol­o­gis­chen Ansprüchen, wie sie auch der Hausvere­in Schweiz proklamiert und fördert. Etwa die zeit­gemässe Fen­ster­iso­la­tion oder die Instal­la­tion von Solarkollek­toren. Gelun­gene Energiesanierun­gen und ökol­o­gis­che Mod­ernisierun­gen von denkmalgeschützten Baut­en sind also mit Augen­mass grund­sät­zlich möglich.

Getrieben vom aktuellen Energie- und Nach­haltigkeits­diskurs, rückt der ener­getis­che und ökol­o­gis­che Aspekt immer stärk­er in den Fokus der Behör­den und Haus­be­sitzer. Die Beurteilung­sprax­is der Denkmalpflege wurde angesichts dessen dur­chaus lib­eraler: Gesuche für das Erstellen von Solaran­la­gen auf schützenswerten Baut­en haben heute grössere Chan­cen als noch zu Beginn des Jahrtausends – die Mei­n­un­gen darüber gehen allerd­ings auseinan­der (siehe Inter­view).

Kooperation lohnt sich

So einen­gend ihre Aufla­gen erscheinen mögen – die Denkmalpflege wird bisweilen zu Unrecht als Entwick­lungs­bremse gegeis­selt. Ganz im Gegen­teil wer­den Bauher­ren, die mit der Denkmalpflege pla­nen und zusam­me­nar­beit­en, häu­fig finanziell unter­stützt. Gefördert wer­den generell alle wert­er­hal­tenden Arbeit­en an Häusern, die im Bauin­ven­tar ste­hen.

Eine solche Entschädi­gung kann bis zu 100 Prozent der Kosten aus­machen. Entschei­den wird die Denkmalpflege im Einzelfall – ein Anspruch seit­ens Bauherrschaft beste­ht nicht. Dient ein Bau­vorhaben indes bloss der Wert­steigerung, kann die Denkmalpflege eine Mit­fi­nanzierung auch ablehnen.

Andreas Käser­mann