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Auf Gedeih und Genuss

aus casanos­tra 155

Casafair Schweiz

Der Früh­ling ist endgültig ins Land gezo­gen und die Gärten erwachen. Nach der Brachzeit zieht es jet­zt auch Hob­bygärt­ner­in­nen und ‑gärt­ner wieder nach draussen. Was soll denn heuer gedei­hen? Casanos­tra schlägt vor, sich auf alte, sel­tener gewor­dene Sorten einzu­lassen. Ein Plä­doy­er für mehr Heimatschutz im eige­nen Garten.

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Urs Bernasconi, Mit­glied Zen­tralvor­stand Casafair Schweiz
«In unserem Fam­i­lien­garten gibt es über 300 Pflanzen und Kräuter. Mehrheitlich sind es alte Sorten ohne Kreuzung mit Nachzüch­tun­gen. Wir ver­wen­den keine Kun­st­dünger und keine Spritzmit­tel. Der Garten ist zer­ti­fiziert von der Stiftung ‹Natur & Wirtschaft›. Mein per­sön­lich­es Liebling­spro­jekt: Die Ver­mehrung sel­tener Pflanzen wie zum Beispiel Pul­satil­la vul­garis (Küchen­schelle), Fil­ipen­du­la Hexa­peta­la (Kleines Mädesüss). Diese blühen schon bald wun­der­schön.»

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Pavel Beco, Baum­schule Albis­bo­den­hof, Dick­en SG
«Grund­sät­zlich finde ich Vielfalt wichtig – ins­beson­dere in einem Garten. Aus mein­er Sicht ist das Wildob­st die wertvoll­ste Gruppe für Haus­gärten. Das sind Dutzende ein­heimis­che oder einge­führte Gehölze, Büsche oder kleine Bäume, mit ess­baren Frücht­en. Also etwa Hol­un­der, Kor­nelkirsche, Felsen­birne, Schwarz­dorn, Wildpflau­men und viele weit­ere. Sehr viele dieser Sorten haben einen hohen Zier­w­ert – mit schö­nen Blüten und bunter Herb­st­fär­bung – und sind trotz­dem sowohl für die Bio diver­sität wie für die Ernte und Nutzung wertvoll. Die meis­ten sind überdies robuster als Kul­tur­ob­st und pflegele­icht.»

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David Her­rmann, Medi­en­sprech­er Bio Suisse
«Alt ist nicht automa­tisch bess­er. Trotz­dem ist die Wahl der Sorte zen­tral für eine stan­dor­tangepasste biol­o­gis­che Pro­duk­tion. Mit dem Ein­satz alter Sorten bewahren und schützen Knospe-Pro­duzen­ten die genetis­che und kul­turhis­torische Vielfalt. Viele dieser Sorten sind sehr robust und kön­nen zum Beispiel gut mit gross­er Hitze umge­hen. Auch wenn sie oft weniger ertra­gre­ich oder ein­heitlich in der Form sind, bilden sie auf­grund ihrer pos­i­tiv­en Eigen­schaften einen wichti­gen Gen­pool für die Züch­tung. Viele Direk­tver­mark­ter und Pri­vat­gärt­ner set­zen auf Sorten­vielfalt und sor­gen mit alten Kul­turpflanzen wie regionalen Tomaten­sorten, speziellen Kür­bis­sen oder vielfälti­gen Salat­en für ein attrak­tives Ange­bot.»

Blickt man auf die Gemüseaus­lage der Grossverteil­er, läuft einem ja das Wass­er im Munde förm­lich zusam­men. Die Vielfalt ist schi­er uner­messlich – alles ist im Über­fluss vorhan­den. Akku­rat aufgerei­ht und ein­ladend zum Kaufe dar­ge­tan. Doch eigentlich ist da von Vielfalt keine Spur: «Seit Beginn des 20. Jahrhun­derts sind drei Vier­tel der Sorten ver­schwun­den. Die Vielfalt war also einst viel gröss­er», sagt Nicole Egloff, Sprecherin der Stiftung ProSpecieR­ara. Die Auswahl in den Läden gauk­le ein falsches Bild vor: «Vieles ist das ganze Jahr und weltweit ver­füg­bar. Sähen wir in der Gemüseaus­lage nur, was Sai­son hat und was vor Ort wächst, die Vielfalt wäre beängsti­gend klein.»

Seit nun­mehr knapp vierzig Jahren set­zt Pro- Specie Rara darum einen Gegen­trend und fördert gezielt alte und rare Sorten, die mitunter längst vergessen waren. Mit­tler­weile führen über 3000 Sorten das Güte­siegel. Die Stiftung fördert und schützt nicht nur Pflanzen­sorten und Tier­rassen; sie sam­melt auch Know-how, welch­es kom­menden Gen­er­a­tio­nen erhal­ten bleiben soll.

Seit Beginn des 20. Jahrhun­derts sind drei Vier­tel der Sorten ver­schwun­den.

Dass die alten Sorten über­haupt ver­drängt wur­den, grün­det in der Grosspro­duk­tion. «Der mehr und mehr maschi­nen­be­triebene land­wirtschaftliche Anbau bed­ingte, dass die Früchte zeit­gle­ich und homogen reiften und entsprechend gle­ichzeit­ig geern­tet wer­den kon­nten.» Zudem waren in der Weit­er­ver­ar­beitung und im Verkauf mehr und mehr gle­ich­mäs­sige und gle­ich­för­mige Pro­duk­te gefragt. «Bei­de Ansprüche sind mit den neuen Züch­tun­gen deut­lich ein­fach­er zu erfüllen als mit den alten Sorten.»

Wie gemacht für den eigenen Garten

Darum sieht Nicole Egloff die eigentlichen Stärken der alten Sorten ganz beson­ders im heimis­chen Garten: Eine Vollernte am Tag X ist eher hin­der­lich als gewün­scht. «Die Früchte reifen nacheinan­der und man hat über län­gere Zeit immer wieder Nach­schub aus eigen­er Pro­duk­tion.»

Ganz im Gegen­satz zur pro­duzieren­den Land­wirtschaft, die auf robus­tere Sorten angewiesen ist, welche auch die immer grösseren Vol­u­men und länger wer­den­den Trans­portwege gut über­ste­hen. «Von Natur aus sind die alten Gemüs­esorten und Früchte oft zarter als die heute bekan­nten. Den Weg in den Laden über­standen Sie nicht so, wie es sich die Grossverteil­er und ihre KundIn­nen wün­schen.»

Darum wurde gezüchtet, was das Zeug hielt. Die Ansprüche der Land­wirtschaft, der Verkaufs­ket­ten, aber auch der Kon­sum­ieren­den legten die Lat­te hoch. Hinzu kom­men die Inter­essen der Agrarindus­trie: Denn mit neuen Züch­tun­gen lässt sich gutes Geld ver­di­enen, wer­den doch die passenden Dünge- und Spritzmit­tel gle­ich mit verkauft. Und das immer wieder: Aus den heuti­gen soge­nan­nten Hybridzüch­tun­gen lässt sich kein Samen gewin­nen, der im Fol­ge­jahr die gle­ichen Früchte ergeben würde. Also kauft man im näch­sten Früh­jahr neues, mitunter teures Saatgut – und speist die Kassen der Agro­chemie.

«Open Source» im Gemüsebeet

Auch da punk­ten freilich die alten Sorten. Diese sind gle­ich­sam All­ge­meingut und – gemäss ProSpecieR­ara – darum für alle «frei ver­mehrbar. Jed­er kann und darf Saat- oder Pflanzgut gewin­nen und im Jahr darauf wieder aussäen respek­tive auspflanzen.» So behiel­ten die Sorten ihre Eigen­schaften. Dies bed­ingt jedoch einiges an Fach­wis­sen: Fremd­be­fruchter – etwa Kür­bisse, Kohl oder Gurken – verkreuzen sehr leicht. «Für Gar­te­nan­fän­gerIn­nen empfehle ich eher, Set­zlinge zu kaufen, als diese sel­ber anzuziehen», räumt Nicole Egloff ein, «so kann man den kom­pliziertesten Schritt den Profis über­lassen und wird eher eine erfol­gre­iche Ernte ein­fahren kön­nen.»

Die Pflege der alten Sorten ste­ht hin­sichtlich Aufwand den mod­er­nen Sorten in nichts nach. Die Gemüse sind eben­so pflegele­icht und dur­chaus auch für Ama­teurIn­nen geeignet. «Die Kul­turen lassen sich auch gut mis­chen. Die alten Sorten ver­tra­gen die Nach­barschaft zu neuen dur­chaus», meint Nicole Egloff. Das bietet Raum für Exper­i­mente: Wem die völ­lige Umstel­lung auf alte Sorten nicht geheuer ist, der pflanzt eben zusät­zlich zur herkömm­lichen Palette noch ein paar aus dem ProSpecieR­ara-Kat­a­log.

Jedoch verge­ht zwis­chen Aus­saat und Ernte doch eine beachtliche Zeit. Viele Garten­lieb­haberIn­nen wis­sen dann bei der Ernte gar nicht mehr genau, wie das Gewächs auf der Tüte sein­erzeit aus­ge­se­hen hat und ob die Früchte nun gepflückt wer­den soll­ten. Ger­ade bei Tomat­en kön­nen unübliche Far­ben ver­wirrend sein. Die Faus­tregel ist sim­pel: «Wenn die Tomate nicht mehr hart ist, son­dern sich weich anfühlt, ist Ern­tezeit.» Auf das blosse Auge ist dabei kein Ver­lass. «Viele alte Sorten reifen in anderen Far­ben, als wir dies gewohnt sind. Die Tomaten­sorte ‹grüne Zebra› wird niemals rot und reift – wie ihr Name es sagt – grün.»

Das schla­gende Argu­ment ist zweifels­frei der Geschmack.

Andere Sorten tra­gen blaue Früchte – etwa die Stan­gen­bohnen­sorte «Blauhilde». «Äusserst prak­tisch », find­et Nicole Egloff. «Die reifen Schoten ent­deckt man zwis­chen den grü­nen Blät­tern ganz ein­fach und über­sieht bei der Ernte nichts.» Die Bohne gilt als sehr ertragsre­ich und unkom­pliziert im Anbau. Wer bei der «Blauhilde» aber einen Far­bakzent auf dem Teller erwartet, wird ent­täuscht: Sie wird beim Kochen grün.

Fürsprecherin der alten Sorten

Die Stiftung ProSpecieR­ara wurde 1982 gegrün­det, um gefährdete Kul­turpflanzen und Nutztiere vor dem Ausster­ben zu schützen. Heute engagiert sich die Organ­i­sa­tion für die Erhal­tung und Nutzung von 1400 Garten- und Ack­erpflanzen, 500 Beeren­sorten, 1900 Obst­sorten, 800 Zierpflanzen­sorten und 32 Nutztier­rassen.

ProSpecieR­ara arbeit­et mit zahlre­ichen Pri­vat­per­so­n­en zusam­men, welche die Sorten in ihren Gärten im Ehre­namt ver­mehren oder sel­tene Rassen hal­ten und zücht­en. Die alten Sorten und Rassen sollen aber nicht nur erhal­ten und bewahrt wer­den, son­dern vielmehr für alle zugänglich sein und genutzt wer­den.

Das Engage­ment von ProSpecieR­ara wird unter­stützt von über 12 000 Gön­ner­In­nen und SpenderIn­nen, von weit­eren Stiftun­gen, durch das Bun­de­samt für Land­wirtschaft sowie durch zahlre­iche Part­ner aus Han­del und Wirtschaft.

Mehr Infos: www.prospecierara.ch

Alt liegt im Trend

Besucht man einen der ProSpecieR­ara-Set­zlingsmärk­te, sieht man sich in bester Gesellschaft. Die alten Sorten boomen, und immer mehr Gärt­ner­In­nen steigen um, sagen den gängi­gen Sorten immer häu­figer Adé. Die Gründe sind vielfältig: «Alte Sorten anzubauen, ist eben­so ein­fach wie neue. Der Wun­sch nach Abwech­slung spielt sich­er mit.» Oft sei es auch der Wun­sch, etwas anzubauen, was der Grossverteil­er nicht im Sor­ti­ment hat. «Das schla­gende Argu­ment ist aber zweifels­frei der Geschmack. Diese Inten­sität und Vielfalt find­et sich bei den Hybri­den nicht», schwärmt ProSpecieR­ara-Sprecherin Egloff: «Die Dutzende aro­ma­tis­chen alten Erd­beer­sorten haben nichts gemein mit den faden, massen­pro­duzierten Frücht­en, welche schon im Jan­u­ar in den Regalen liegen.»

Auch find­i­ge Gas­tronomIn­nen sind längst auf den Geschmack gekom­men und exper­i­men­tieren gerne mit über­raschen­den For­men, schrä­gen Far­ben und mit vielfälti­gen Geschmack­srich­tun­gen. Sie haben dur­chaus zur neuen Pop­u­lar­ität der alten Sorten beige­tra­gen. «Köchen sagen die bisweilen aus­ge­fal­l­enen Gemüse und Früchte zu, welche dem Essen neue Noten geben und auch dem Auge etwas bieten.» Kein Wun­der, greifen auch bekan­nte «Chefs» immer öfter mal in die Trick­kiste mit den weniger gängi­gen Sorten.

Wer sich also auf das Exper­i­ment mit raren und alten Sorten ein­lassen möchte, kann dies get­rost auf eigene Faust tun. Die Auswahl lässt kaum Wün­sche offen. Stellen sich Fra­gen, so hil­ft neben ein­schlägiger Lit­er­atur das Net­zw­erk der Stiftung ProSpecieR­ara weit­er. Deren Fach­leute organ­isieren überdies Ver­anstal­tun­gen, Set­zlingsmärk­te und Kurse in der ganzen Schweiz.

Andreas Käser­mann

5 Evergreens für den Garten

Sven-Erik Falk/pixelio.de

Pasti­nake
Das Wurzel­gemüse wurde bere­its zur Römerzeit in Süd- und Mit­teleu­ropa ange­baut. Die Pasti­nake wurde zeitweilig von Karot­ten und Kartof­feln ver­drängt, liegt aber heute wieder im Trend. Schmeckt ähn­lich wie Sel­l­erie.

ProSpecieR­ara

Costa­ta Romanesco
Diese Zuc­chet­ti war einst eine beliebte Mark­t­sorte in Ital­ien. Reif ist sie erst, wenn sie unge­fähr 10 cm dick ist. Auch dann ist sie noch sehr zart und dank den verdick­ten Längsstreifen sehen die Zuc­chet­tis­cheiben wie Zah­n­räder aus. Gut geeignet auch als Grillplät­zli.

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Blauer Schwede
Nein, kein trinkseliger Nordeu­ropäer; vielmehr eine alte Kartof­fel­sorte mit blauer Schale und blauem Fleisch. Gemäss neueren Unter­suchun­gen soll der Verzehr von blauen Kartof­feln blut­druck­senk­end wirken.

ProSpecieR­ara

Bern­er Rose
Auch die Apfel­sorte «Bern­er Rose» hat das ProSpecieR­ara-Güte­siegel und stammt ursprünglich aus Oppli­gen BE. Der erste Mut­ter­baum trug 1888 Früchte. Bern­er Rosen sind auch beliebte Mostäpfel. Unter dem sel­ben Namen ist auch eine Fleis­chto­mate bekan­nt.

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Chiog­gia
Eine ital­ienis­che Ran­den­sorte, welche dem Auge eben­so viel bietet wie dem Gau­men. Die Sorte wurde bere­its vor Mitte des 19. Jahrhun­derts ange­baut. Die jun­gen, zarten Ran­den schmeck­en beson­ders gut roh oder leicht gekocht.

Diese und eine grosse Vielfalt an weit­eren Sorten wird an den Set­zlingsmärk­ten in der ganzen Schweiz verkauft. Saatgut ist in den Coop-Garten­abteilun­gen oder im Online-Han­del unter www.sativa-rheinau.ch erhältlich. ProSpecieR­ara-Gön­ner­In­nen haben überdies jährlich einige Por­tio­nen Saatgut kosten­los zugute